Dass derzeit mehrere Hundert Arzneimittel nicht lieferbar sind, bringt die Apothekenteams regelmäßig an ihre Grenzen. Denn die Mitarbeiter:innen versuchen händeringend, die Patientenversorgung trotzdem zu gewährleisten. Das sieht jedoch nicht jede/r so, wie eine Praxisinfo zeigt. Eine Arztpraxis greift darin Apotheken wegen des Umgangs mit Lieferengpässen an und weist die Kolleg:innen auf ihre Pflichten hin.
Lieferengpässe sorgen aktuell in den Apotheken mehr denn je für Diskussionen, und zwar nicht nur vor dem HV-Tisch, sondern auch dahinter. Denn neben Gesprächen mit verärgerten und verzweifelten Kund:innen ist oftmals auch eine Rücksprache mit der Arztpraxis notwendig. Erst vor kurzem sorgte der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt mit seinem Vorschlag, Flohmärkte für Arzneimittel einzurichten, für Wirbel. Die Standesvertretung der Apotheken zeigte sich schockiert.
Unverständnis ruft nun auch eine Praxisinfo hervor, die Patient:innen ausgehändigt wurde und ihren Weg in die Apotheke gefunden hat, wo sie am ersten Arbeitstag im neuen Jahr auf PTA und Apothekerin Annika wartete. Der Inhalt des Schreibens sorgt für Fassungslosigkeit. Denn darin greift die Arztpraxis die Apotheken an:
„Falls eine Apotheke sagt: Medikament sei nicht lieferbar: Die Apotheke ist und bleibt für die Medikamentenbeschaffung zuständig, das ist gesetzlich so geregelt.“ Doch dies war nur der Anfang. Weiter geht es mit einer Erinnerung daran, wie genau die Versorgung von den Kolleg:innen sichergestellt werden muss: „Die Apotheke hat die Beschaffung über 1. Stadtweit, 2. Bundesweit, 3. Reimporte, 4. Internationale Apotheke zu organisieren!!“
Der Grund für das Schreiben: Diskussionen mit Apotheken zu Lasten von MFA, Ärzt:innen oder Krankenkassen sollen ein Ende haben. Der Zettel stammt laut der PTA aus einer nahegelegenen Hausarztpraxis. „Aber wir haben gar nicht viel Kontakt zueinander. Aus unserer Belegschaft hat also keiner die MFA oder Ärzte wegen Lieferengpässen ,belästigt‘“, stellt sie klar. „Wir hatten nur eine Situation, in der wir dem Kunden (mit dem Zettel) aufgrund von Lieferengpässen 30 Stück Bisoprolol Tabletten anstatt 100 Stück mitgegeben haben. Als der Kunde ein neues Rezept brauchte, war die Praxis nicht begeistert und hielt es für ein Unding, dass der Patient nicht die gewünschte Anzahl erhalten hat.“
Die Praxisinfo endet schließlich noch mit einem weiteren Hinweis zum Vorgehen, wenn das verordnete Arzneimittel trotz aller Bemühungen nicht lieferbar sein sollte. In diesem Fall „muß das Originalrezept an den verordnenden Arzt zurückgegeben werden, sonst kann vom Arzt kein weitere Verordnung (z.B. kleinerer Mengen oder verfügbarer Dosen) erfolgen, weil ja eine höhere Stückzahl oder Dosierung bereits rezeptiert wurde“, heißt es.
Für Annika ist das Schreiben ein No-Go. „Zunächst war ich so verärgert, dass ich den Zettel weggeworfen habe. Wir bemühen uns täglich, für jedes Problem eine Lösung zu finden. Wir stellen Ibuprofen-Säfte her, schauen ständig, dass wir irgendwo noch Ware herbekommen. Aber was es nicht gibt, können wir uns auch nicht aus den Rippen schneiden. Das Arbeiten ist extrem anstrengend geworden“, berichtet sie. „Das Schreiben der Arztpraxis lässt vermuten, dass die derzeitige Lage nicht richtig verstanden wurde.“
Weiteren Kontakt zur Praxis hat die Apotheke nicht aufgenommen. „Dazu fehlt die Zeit und die Kraft.“
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