Ob Gehaltsfragen, der Wunsch nach mehr Verantwortung oder Uneinigkeiten im Team: Es gibt viele Anlässe, um unter vier Augen mit der Apothekenleitung zu sprechen. Den/die Chef:in beim Personalgespräch heimlich aufzunehmen, um einen Beweis für das Ergebnis zu haben, ist jedoch tabu, oder? Achtung, Spoiler: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Streitigkeiten unter Kolleg:innen kommen selbst in den besten Teams vor und lassen sich meist schnell klären. Entwickelt sich eine Meinungsverschiedenheit jedoch zum handfesten Streit inklusive Beschimpfungen und Co., ist das ein Fall für die Apothekenleitung. Zugegeben, es gibt schönere Anlässe für ein Personalgespräch, beispielsweise weil du mehr Gehalt für deine Leistungen aushandeln oder in der Apotheke neue Aufgaben übernehmen möchtest. Aber eines steht in jedem Fall fest: Was im Personalgespräch auf den Tisch kommt, bleibt privat. Wer die Unterhaltung also heimlich filmt, riskiert die Kündigung, und zwar fristlos. Es gibt jedoch Ausnahmen.
Der Reihe nach. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz kommt zu dem Urteil, dass die ungefragte Aufnahme eines Personalgesprächs auch ohne Folgen bleiben kann. Geklagt hatte ein Angestellter, dessen Arbeitgeber ihn fristlos entlassen hatte, nachdem herauskam, dass er ein vertrauliches Gespräch mit dem Chef heimlich aufgenommen hatte. Gegen die Kündigung ging der Beschäftigte vor. Denn: Das Gespräch fand überhaupt nur statt, weil sich der Chef zuvor dem Mitarbeiter gegenüber diskriminierend geäußert hatte. Der Angestellte wollte dies im Personalgespräch beweisen und zückte daher sein Handy, um das Gesagte zu dokumentieren. In den Augen der Richter:innen war dies rechtens.
Notsituation rechtfertigt Mitschnitt beim Personalgespräch
Grundsätzlich sei zwar „der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ‚an sich‘ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen“, immerhin habe der Arbeitnehmer durch sein Verhalten seine Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt und außerdem gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen. Aber: Weil der Angestellte durch die Aufnahme eine Diskriminierung und Beleidigung belegen wollte, handelte es sich um eine Notsituation beziehungsweise einen sogenannten „rechtfertigenden Notstand“. Demnach wiege der Verstoß des Beschäftigten nicht so schwer wie der des Arbeitgebers.
Die Aufnahme bleibe zwar immer noch unzulässig, aufgrund der Gesamtumstände könne man aber von einem (vermeidbaren) Verbotsirrtum ausgehen. Folglich ist „die außerordentliche Kündigung nach der vorzunehmenden umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt“, so die Richter:innen. Mehr noch: Auch eine reguläre Kündigung aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen erklärte das Gericht für unwirksam, weil die vom Arbeitgeber vorgebrachten Argumente dafür nicht ausreichen würden.
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