Knifflige Fragen gehören in der Apotheke meist zum Alltag. Dafür sorgen unter anderem Lieferengpässe, heikle Beratungsthemen oder pharmazeutische Bedenken. Nicht selten entwickeln sich daraus ethische Konflikte, die schwierige Entscheidungen erfordern. Welche Situationen für die Apotheke besonders belastend sind und warum, zeigt eine aktuelle Befragung.
Erst kürzlich sorgte ein Urteil des Senats für Heilberufe beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg für Wirbel. Denn die Richter:innen entschieden, dass Gewissenskonflikte in der Apotheke bei der Abgabe der Pille danach keine Rolle spielen dürfen, sondern Kontrahierungszwang besteht. Doch auch andere knifflige Situationen können Mitarbeitende mitunter vor Herausforderungen stellen.
Ein Team der Universität Leipzig und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat in einer Umfrage mehr als 535 Apotheker:innen aus ganz Deutschland in Bezug auf ethische Konflikte in ihrem Berufsalltag befragt. Dabei ging es darum, welche Fragen am meisten für Kopfzerbrechen sorgen und wie sich dies auf die Arbeit auswirkt. Das Ergebnis: Ein Großteil beschäftigt sich mehr als einmal die Woche mit unterschiedlichen Konflikten, die oftmals eine starke Belastung darstellen – vor allem aus Sorge um die Patient:innen.
Ethische Konflikte: Apotheken setzten auf Fachwissen
Wie die Ergebnisse zeigen, gehören diese Fälle zu den häufigsten ethischen Konflikten in der Apotheke, die mindestens einmal täglich bis einmal wöchentlich auftreten:
- Rabattarzneimittel ist aus pharmazeutischer Sicht nicht am besten geeignet: 66 Prozent
- Patient:in hat kein Rezept für das benötigte Medikament: 65 Prozent
- Dringende Verschreibung enthält einen formalen Fehler, aber Arztrücksprache ist nicht möglich: 60 Prozent
- Ausweichen auf weniger geeignetes/ungeeignetes Alternativpräparat wegen Lieferengpässen: 51 Prozent
- Verdacht auf Missbrauch des geforderten Präparats: 50 Prozent
Müssen Mitarbeitende dabei Entscheidungen treffen, spielt das eigene pharmazeutische Wissen die wichtigste Rolle, gefolgt von rechtlichen Anforderungen und persönlichen Wertvorstellungen.
Sorge um Patient:innen überwiegt Apothekeninteressen
Ein Großteil der Befragten wünscht sich jedoch einen geschulteren Umgang mit entsprechenden Situationen. Denn: Für viele stellen ethische Konflikte eine starke oder sogar sehr starke Belastung dar. Am größten ist diese, wenn Sorge um ein ungeborenes Kind bei der Arzneimittelwahl für schwangere Patientinnen besteht (54 Prozent). Generell steht das Patientenwohl bei ethischen Konflikten oftmals an erster Stelle und lässt die eigenen Interessen beziehungsweise die der Apotheke – Stichwort Retaxationen – in den Hintergrund rücken. Wird beispielsweise ein bestimmtes Präparat abgegeben, obwohl trotz Arztrücksprache noch Bedenken bestehen, empfindet dies fast jede/r Zweite als (sehr) starke Belastung, der Großteil davon aus Sorge, dass sich für den/die Patient:innen negative Folgen daraus ergeben könnten. Ähnlich verhält es sich, wenn eine dringende Verschreibung einen Formfehler enthält oder wenn weniger geeignete Alternativen aufgrund von Lieferengpässen ausgewählt werden müssen.
Ein Missbrauchsverdacht sowie ein unplausibler Off-Label-Einsatz eines Rx-Arzneimittels werden zwar insgesamt seltener als starke Belastung empfunden, die Sorge um das Patientenwohl beschäftigt dabei jedoch fast jede/n Betroffenen. Und auch bei Konflikten in puncto Kostenerstattung durch die Kassen, beispielsweise, wenn bestimmte Auflagen eine ausreichende Versorgung verhindern oder Pataient:innen für das benötigte Medikament nicht zahlen können, überwiegen die Gedanken um das Wohlergehen die Interessen der Apotheke.
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