Opiumtinktur: Auf Testkauf folgte Verwirrung
Ob Opiumtinktur ein Arzneimittel oder eine Rezeptursubstanz ist, wird auf verschiedenen Ebenen vor Gericht ausgefochten. Zum einen zwischen Pharmanovia, der dänischen Firma, die die Zulassung für das Arzneimittel Dropizol hält, und der Maros Arznei GmbH, die Tintura Opii normata als Rezeptursubstanz vertreibt, und zum anderen zwischen Pharmanovia und Hamburger Apotheken.
Während der Antrag auf Vertriebsverbot gegen den Ausgangsstoff von Maros rechtskräftig zurückgewiesen wurde und Maros somit Opiumtinktur als Rezeptursubstanz rechtmäßig in den Verkehr bringen und die Apotheke entsprechend liefern darf, verbot das Hamburger Landgericht einer beklagten Hamburger Apotheke die unveränderte Weitergabe der Opiumtinktur von Maros. Dies nutzte Pharmanovia und informierte die Apotheken darüber, dass die Abgabe von Tinctura Opii normata Maros verboten bleibe. Verschickt wurde das Informationsschreiben von Innocur, das den Vertrieb von Dropizol verantwortet.
Die Vorgeschichte
Opiumtinktur ist seit Jahrzehnten als Rezeptursubstanz auf dem Markt und wird überwiegend zur Behandlung schwerer Durchfälle sowie zur Behandlung des neonatalen Abstinenz-Syndroms eingesetzt. Seit Oktober 2018 ist mit Dropizol ein Fertigarzneimittel mit Morphin in einer eingestellten Opiumtinktur verfügbar. Verordnet wird überwiegend die Rezeptursubstanz.
In Hamburger Apotheken wurden „Testkäufe“ zu Opiumtinktur durchgeführt. Eine fragliche Vorgehensweise, wenn man bedenkt, dass es sich bei Opiumtinktur um ein Betäubungsmittel handelt, für das ein Arzt ein Rezept ausstellt, was in einem Wettbewerbsstreit endet. Letztlich wurden gegen zwei Hamburger Apotheken rechtliche Schritte eingeleitet. Pharmanovia mahnte die Apotheken, die Opiumtinktur als Rezeptursubstanz abgegeben hatten, ab und erwirkte eine einstweilige Verfügung.
Im Januar hatte das Landgericht Hamburg auf dem Wege einer einstweiligen Verfügung einer Hamburger Apotheke untersagt, „die von der Maros GmbH hergestellte und unter der Bezeichnung ‚Tinctura Opii normata Ph. Eur.’ vertriebene Opiumtinktur ohne Veränderung der Wirksubstanz als Arzneimittel an Endkunden abzugeben, wenn und solange für die abgegebene Opiumtinktur keine Arzneimittelzulassung erlangt worden ist.“ Gegen den Beschluss hatte die Apotheke Widerspruch eingelegt, dies jedoch zurückgenommen und die einstweilige Verfügung des Landgerichts als abschließende Regelung anerkannt, nachdem dieses den Parteien in einem Hinweisbeschluss mitgeteilt hat, dass es von seiner Rechtsauffassung auch im Hauptsacheverfahren nicht abweichen werde. Für die zweite betroffene Apotheke gilt dies jedoch nicht, hier steht die Entscheidung noch aus.
Dennoch hatte Innocur darüber informiert, dass die Rezeptursubstanz von Maros nicht abgegeben werden dürfe. „Hersteller dürfen Opiumtinktur als Rohstoff an Apotheken verkaufen. Apotheken ist es hingegen untersagt, die als Rohstoff bezogene Opiumtinktur ohne Veränderung der Wirksubstanz an den Endabnehmer abzugeben, es sei denn, der Apotheker hat zuvor eine Arzneimittelzulassung nach § 21 AMG für das hergestellte Präparat erwirkt.“
Das Informationsschreiben sorgte bei den Apotheken für Verunsicherung, liest es sich doch so, als bestehe ein generelles Abgabeverbot für alle Apotheken, dabei dürfen derzeit lediglich die beiden Hamburger Apotheken die Rezeptursubstanz von Maros nicht abgeben – aber wohl die von Caelo.
Was sagt der DAV?
In einem Rundschreiben an die Kammern und Verbände hatte der DAV über das Schreiben von Innocur hinsichtlich eines Abgabeverbots der Opiumtinktur von Maros informiert. „Wir hatten in diesem Rundschreiben auch auf eine Entscheidung des LG Hamburg vom 28. Mai 2019 hingewiesen, das in einem Rechtsstreit des Zulassungsinhabers gegen den Vertreiber des Ausgangsstoffs ergangen ist. Diese Entscheidung spricht dafür, dass es sich bei der streitgegenständlichen Opiumtinktur nicht um ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel handelt, da es nach Feststellung des Gerichts in dem konkreten Fall an dem Tatbestandsmerkmal der ‚zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packungen‘ fehlte. Die Entscheidung des LG Hamburg vom 28. Mai 2019 ist inzwischen rechtskräftig. Dazu gab es einen Hinweisbeschluss des OLG Hamburg vom 21. April 2020 sowie den verfahrensbeendenden Beschluss vom 11. Mai 2020“, teilt ein Sprecher mit.
Der DAV vertritt die Auffassung, „dass die in der Pressemitteilung der Fa. Innocur in Bezug genommene Entwicklung im Verfahren des Zulassungsinhabers gegen einen Apotheker vor dem LG Hamburg ihre Begründung in den Besonderheiten des Einzelfalls hat.“ Somit liegt kein generelles Abgabeverbot für alle Apotheken vor, sondern lediglich für die Apotheken, gegen die Pharmanovia eine einstweilige Verfügung erwirkt hat.
Die Abteilung für Abrechnungsangelegenheiten des DAV soll dem Vernehmen nach klare Worte gegenüber einer Apotheke gefunden haben. So soll das „Rundschreiben juristisch nicht haltbar“ und eine „dreiste Werbung für das Fertigarzneimittel“ sein. Apotheken dürften weiterhin Opiumtinktur als Rezeptursubstanz verarbeiten, sprich abfüllen, kennzeichnen und abgeben, wie bisher.
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