Dass nicht für alle Apothekenangestellten Tarifbindung besteht, hat Nachteile, und zwar für die Kolleg:innen ohne Tarifbindung. Denn wie eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, arbeiten Arbeitnehmende ohne Tarifvertrag mehr und verdienen weniger.
Dass sich die Arbeitsbedingungen in Betrieben mit Tarifvertrag von denen ohne unterscheiden, ist bekannt. Jetzt gibt es aktuelle Zahlen, wie groß die Unterschiede sind. So arbeiten Angestellte in Vollzeit ohne Tarifbindung im Mittel pro Woche knapp eine Stunde (54 Minuten) länger und verdienen trotzdem 11 Prozent weniger als Kolleg:innen mit Tarifbindung in vergleichbaren Betrieben.
Ein Tarifvertrag greift nur, wenn beide Seiten – Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber:in – Mitglied in der jeweiligen Tariforganisation sind. Für Apothekenangestellte ist dies die Adexa, für Chef:innen der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) beziehungsweise die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein oder die Tarifkommissionen des Sächsischen Apothekerverbandes e.V. (SAV). Andernfalls besteht in der Regel keine Tarifbindung und der Anspruch auf Leistungen aus dem Tarifvertrag erlischt. Wie der PTA-Gehaltsreport 2021 zeigt, sind nur 10 Prozent der befragten Kolleg:innen Mitglied der Adexa. Für einige Kolleg:innen gibt es jedoch ein „Schlupfloch“. Denn der Tarifvertrag kann auch als Grundlage für den Arbeitsvertrag genutzt werden, wodurch Beschäftigte auch ohne Tarifbindung von den vereinbarten Leistungen profitieren können.
Die Studie zeigt aber, dass die Tarifbindung seit Jahren deutlich zurückgeht. Im Jahr 2000 waren noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten (68 Prozent) in Deutschland in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt, 2021 war es nur noch gut die Hälfte (52 Prozent). Zudem zeigt sich ein deutliches West-Ost-Gefälle: So lag der Anteil der tarifgebundenen Arbeitsplätze in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen nach den jüngsten verfügbaren Zahlen noch zwischen 59 und 55 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Brandenburg und Thüringen kommen hingegen nur noch auf einen Anteil von 41 bis 46 Prozent tarifgebundene Arbeitsplätze. In den restlichen Bundesländern liegt die Tarifbindung bei 47 bis 53 Prozent.
Ohne Tarifvertrag weniger Lohn
In Brandenburg verdienen Beschäftigte in tariflosen Betrieben rund 15 Prozent weniger als jene in vergleichbaren Betrieben mit Tarifvertrag. Um auf ein volles Jahresgehalt ihrer Kolleg:innen mit Tarifvertrag zu kommen, müssen Beschäftigte in tariflosen Betrieben bis in den März des Folgejahres hineinarbeiten.
Eine Woche mehr pro Jahr
Und auch in puncto Arbeitszeit gibt es Unterschiede, und zwar im selben Bundesland. Am größten ist die Differenz in Baden-Württemberg, wo Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen regulär fast anderthalb Stunden (87 Minuten) pro Woche zusätzlich arbeiten, in Bremen (61 Minuten) und dem Saarland (60 Minuten) ist es jeweils rund eine Stunde mehr. Über das Jahr gesehen häuft sich mehr als eine zusätzliche Arbeitswoche an.
„Die Ergebnisse belegen erneut, dass Tarifverträge für die Beschäftigten handfeste Vorteile bringen“, sagt Dr. Malte Lübker, Co-Autor der Studie. „Wer als Arbeitgeber tarifgebunden ist, bekennt sich klar zu fairen Löhnen und geregelten Arbeitsbedingungen“, so Lübker. „Das macht einen Arbeitgeber für Stellensuchende interessant – und kann die Belegschaft davon abhalten, zur tariftreuen Konkurrenz abzuwandern.“
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