Neue Nebenwirkung: Paracetamol nur noch mit angepasster Fachinfo
Ende vergangenen Jahres hat der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) beschlossen, dass die Produktinformationen Paracetamol-haltiger Arzneimittel um das unerwünschte Ereignis metabolische Azidose mit erweiterter Anionenlücke (HAGMA) angepasst werden sollen. Jetzt fordert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu auf, Paracetamol-haltige Arzneimittel nur noch mit der aktualisierten Produktinformationen in den Verkehr zu bringen.
Produktinformationen müssen nach den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes laufend aktualisiert und auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gebracht werden. Dabei sind auch die Empfehlungen des PRAC zu berücksichtigen. Die Expert:innen haben beschlossen, dass die Produktinformationen aller Paracetamol-haltigen Arzneimittel – sowohl Einzel- als auch Kombipräparate – angepasst werden sollen. Ursache ist ein bekannt gewordenes unerwünschtes Ereignis, das unter Paracetamol in therapeutischen Dosen über längere Zeit, aber auch bei Überdosierung möglich ist: Die metabolische Azidose mit erweiterter Anionenlücke (HAGMA) aufgrund von Pyroglutaminsäure-(5-Oxoprolin)-Azidose bei bestimmten Risikofaktoren wie beispielsweise schwerer Nierenfunktionsstörung, Sepsis, Glutathionmangel – beispielsweise durch chronischen Alkoholabusus – und bei gleichzeitiger Anwendung von Flucloxacillin.
Jetzt informiert das BfArM, dass die Fach- und Gebrauchsinformationen entsprechend angepasst werden und nur noch Packungen mit aktualisierter Produktinformation in den Verkehr gebracht werden sollen. Betroffen sind nicht nur Fertigarzneimittel, sondern auch Arzneimittel, die auf Basis von Standardzulassungen im Markt sind. Somit sind auch Apotheken verpflichtet, die Anpassung in der Produktinformation vorzunehmen.
Metabolische Azidosen mit erweiterter Anionenlücke werden in der Regel durch Laktatazidosen, Ketoazidosen sowie Intoxikationen mit Salicylsäure oder Alkoholen verursacht. Eine durch 5-Oxoprolin ausgelöste Azidose wird nur selten diagnostiziert. Diese kann durch die von Paracetamol verursachte Depletion von Glutathion entstehen, weil N-acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI), der toxische Hauptmetabolit von Paracetamol, irreversibel an Glutathion bindet. Außerdem wird für den Abbau von Paracetamol Cystein verbraucht. Cystein ist neben Glutamat und Glycin eine der drei Aminosäuren, aus denen Glutathion besteht. Zudem hemmt Flucloxacillin den Abbau von 5-Oxoprolin zu Glutamat.
Zu den Symptomen einer metabolischen Azidose gehören unter anderem schwere Atembeschwerden mit tiefer, schneller Atmung, Schläfrigkeit, Übelkeit und Erbrechen.
Mehr aus dieser Kategorie
Vitamin D-Mangel erhöht Risiko für ADHS und Co. bei Babys
Dass eine ausreichende Vitamin D-Versorgung nicht nur für Erwachsene, sondern bereits für Neugeborene essentiell ist, ist bekannt. Andernfalls drohen gesundheitliche …
Nach Todesfall: EMA prüft Windpocken-Impfstoffe
Rund 20.000 Fälle von Windpocken werden hierzulande im Schnitt pro Jahr verzeichnet. Die vermeintlich harmlose „Kinderkrankheit“ kann dabei auch zu …
Wirkstoff ABC: DEET
Von A wie Amoxicillin, über B wie Budesonid bis Z wie Zopiclon: Die Liste der Wirkstoffe ist lang. Aber kennst …