Neue Arzneimittel: Kaum Zusatznutzen für zusätzliche Indikationen
Ständig kommen neue Arzneimittel zur Behandlung und/oder Vorbeugung bestimmter Krankheiten auf den Markt. Einige Präparate sollen dabei gegen mehrere Erkrankungen zum Einsatz kommen können. Stichwort Indikationserweiterung. Doch für weitere Indikationen ist der Zusatznutzen neuer Arzneimitteln meist begrenzt.
Schon in der PTA-Schule werden angehende Kolleg:innen mit verschiedenen Wirkstoffen, ihren Neben- und Wechselwirkungen sowie ihren Anwendungsgebieten vertraut gemacht. Dabei zeigt sich, dass die Arzneistoffe häufig in verschiedenen Indikationen eingesetzt werden können. Kein Wunder, dass neu zugelassene Arzneimittel gegen bestimmte Erkrankungen früher oder später oftmals auch für weitere Indikationen zugelassen werden. Für Patient:innen bringt dies jedoch in der Regel keinen Zusatznutzen, zeigen Studienergebnisse.
Studie prüft Zusatznutzen hunderter neuer Arzneimittel
Ein internationales Forscherteam hat den Zusatznutzen von neu zugelassenen Medikamenten untersucht. Genauer wollten die Wissenschaftler:innen herausfinden, ob und welche Verbesserungen neue Arzneimittel für die Therapie weiterer Indikationen bringen können. Untersucht wurden 124 Erstzulassungen und 335 Indikationserweiterungen der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) sowie 88 Erstzulassungen und 215 weitere Indikationen der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) in den Jahren von 2011 bis 2020. Dazu gehörte beispielsweise Ticagrelor, das zunächst nur zur Verringerung des Risikos thrombotischer kardiovaskulärer Ereignisse bei Patient:innen mit akutem Koronarsyndrom zugelassen war, inzwischen aber auch zur Verringerung des Risikos eines Myokardinfarkts oder Schlaganfalls genutzt werden kann.
Als Grundlage dienten dabei sogenannten Health Technology Assessments – unabhängige Bewertungen von Gesundheitsbehörden – aus Deutschland und Frankreich. Der Grund: Weder bei der Zulassung durch die FDA noch durch die EMA müssten Daten über das Ausmaß der Wirksamkeit eines neuen Medikaments im Vergleich zu anderen Behandlungen vorgelegt werden. Daher erfolge die entsprechend notwendige Bewertung – beispielsweise um Patient:innen eine Auswahl für die Therapie zu ermöglichen – in verschiedenen Ländern durch unabhängige Organisationen wie hierzulande den Gemeinsamen Bundesausschuss.
Geringer Zusatznutzen bei Indikationserweiterung
Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachmagazin British Medical Journal veröffentlicht. Dabei zeigte sich: Insgesamt bietet im Durchschnitt fast jedes zweite neue Arzneimittel im Vergleich zur bisherigen Standardbehandlung einen Zusatznutzen für Patient:innen – 41 Prozent bei den FDA- und 47 Prozent bei den EMA-Zulassungen. Dieser Anteil verringerte sich allerdings deutlich, wenn die Präparate später für weitere Indikationen zugelassen werden. Verglichen mit der Erstzulassung liegt der Zusatznutzen für zusätzliche Anwendungsgebiete um bis zu 11 Prozentpunkte niedriger.
Erkenntnisse, über die Patient:innen informiert werden sollten, so die Forschenden. „Der therapeutische Wert aller Indikationen für neue Arzneimittel sollte Patienten und Ärzten klar kommuniziert werden, damit sie fundierte und optimale Behandlungsentscheidungen treffen können, zumal diese Arzneimittel oft sehr teuer sind“, heißt es in der Studie. Das gelte auch, wenn Erst- oder Zusatzindikationen keinen therapeutischen Mehrwert gegenüber anderen verfügbaren Behandlungen bieten würden.
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