Die Darmbakterien machen die Wirkung: Natriumpicosulfat sollte nicht mit Antibiotika kombiniert werden, oder kurz nach einer Antibiose zum Einsatz kommen. Die antibakteriellen Wirkstoffe können die Wirkung des Abführmittels mindern.
Nicht jeder redet gerne über seinen Stuhlgang und nicht jeder vermeintlich Verstopfte leidet auch tatsächlich unter einer Obstipation. Laut Statista haben im vergangenen Jahr 360.000 Menschen in Deutschland mindestens einmal pro Woche ein Abführmittel benutzt – 50.000 Personen sogar täglich.
Verstopft oder nicht?
Aus medizinsicher Sicht ist alles zwischen dreimal täglich und dreimal pro Woche normal. Das „große Geschäft“ muss also nicht täglich erledigt werden. Zu wenig Bewegung, eine zu geringe Trinkmenge, eine ballaststoffarme Ernährung oder eine Veränderung der Lebenssituation wie Stress oder Urlaub können den Darm lähmen und den Toilettengang verzögern.
Als chronisch verstopft gilt, wer über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten weniger als dreimal pro Woche Stuhlgang hat. Dasselbe gilt für Menschen, bei denen der Toilettengang schmerzhaft und mühsam und nur unter starkem Pressen möglich ist oder gar manuell nachgeholfen werden muss.
Natriumpicosulfat
Bei Verstopfung oder Erkrankungen, die eine erleichterte Defäkation erfordern, kommt Natriumpicosulfat als Abführmittel zum Einsatz. Der Wirkstoff ist in Form von Tabletten und Tropfen im Handel. Die Einnahme erfolgt in der Regel am Abend, da die Wirkung normalerweise nach zehn bis zwölf Stunden einsetzt.
Der Arzneistoff kann die Darmbewegung fördern und die Ansammlung von Wasser und Elektrolyten im Darm erhöhen. Daher ist auch bei der gleichzeitigen Anwendung von Diuretika und Cortisonen Vorsicht geboten, da Elektrolytverschiebungen möglich sind.
Natriumpicosulfat ist ein Prodrug und strukturell mit Bisacodyl verwandt, das ebenfalls als Laxans im Handel ist. Es gibt jedoch einen Unterschied: Bisacodyl ist mit Essigsäure verestert und Natriumpicosulfat mit Schwefelsäure. Für die Umwandlung von Bisacodyl in die aktive Form sind Esterasen der Darmschleimhaut verantwortlich. Natriumpicosulfat hingegen wird von Darmbakterien in den aktiven Metaboliten das Diphenol Bis-(p-hydroxyphenyl)-pyridyl-2-metha (BHPM) umgewandelt.
Die bakterielle Metabolisierung findet im Kolon statt und regt die Schleimhaut des Dickdarms an. Daraus resultiert eine Anregung der Peristaltik und die Ansammlung von Wasser und Elektrolyten im Kolonlumen wird gefördert. Defäkation, Reduktion der Transitzeit und Konsistenzverminderung des Stuhls sind die Folgen. Natriumpicosulfat wirkt im Dickdarm und stimuliert dort spezifisch den Entleerungsprozess. Die Aufnahme von Kalorien oder essentiellen Nährstoffen im Dünndarm werden nicht beeinflusst.
Antibiotika
Antibiotika kommen bei bakteriellen Infektionen zum Einsatz. Laut Arzneimittelverordnungsreport 2019 ist im Jahr 2018 ein leichter Rückgang bei den Tagestherapiedosen zu beobachten. Betalactame sind die bedeutendste Gruppe – gefolgt von Tetracyclinen, Makroliden und Fluorchinolonen. Welches Antibiotikum zum Einsatz kommt, ist von den pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs, der Art und Schwere der Infektion, der Erregerempfindlichkeit und dem Patienten abhängig.
Das Problem
Antibiotika können die abführende Wirkung von Natriumpicosulfat reduzieren. Die Ursache liegt im Dickdarm. Weil Antibiotika nicht selektiv sind und auch die gesunde Darmflora in Mitleidenschaft ziehen und die „guten“ Bakterien abtöten, kann Natriumpicosulfat nicht mehr ausreichend in freie Diphenole und somit die eigentliche Wirkform umgewandelt werden. Die Wirkung ist abgeschwächt oder bleibt aus.
Die Lösung
Auch für Bisacodyl ist eine Wirkminderung nicht ausgeschlossen. Eine Alternative sind beispielsweise Lactulose oder Backpflaumen und Sauerkrautsaft in Kombination mit Bewegung. Quellmittel können ebenfalls Abhilfe schaffen, dabei ist auf eine ausreichende Trinkmenge zu achten. Eine andere Alternative ist, am Morgen ein Glas heißes Wasser zu trinken. Das bringt die Verdauung in Schwung und kann oftmals den gewünschten Effekt verschaffen.
Außerdem sind bei einer Antibiose ohnehin Antibiotika-assoziierte Durchfälle möglich. Hier kann die Gabe von Darmbakterien die Beschwerden mindern. Allerdings ist auf eine zeitlich versetzte Anwendung von etwa zwei bis drei Stunden zu achten. Die Anwendung von Saccharomyces boulardii hat sich ebenso gegen Durchfälle im Zusammenhang mit einer Antibiotikatherapie bewährt.
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