Metformin gehört zum Standard in der Diabetes-Therapie und ist als Mittel der Wahl bei Typ-2-Diabetes nicht mehr wegzudenken. Doch kann das Biguanid auch im Kampf gegen das Coronavirus überzeugen? Schon im April machten Forscher das Antidiabetikum als Kandidaten zur Behandlung von Covid-19 aus. Aktuell schüren die Ergebnisse mehrerer Beobachtungsstudien Hoffnung. Kann Metformin die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten senken?
Metformin gehört zur Substanzklasse der Biguanide und wird zur Behandlung von Typ-2-Diabetes angewendet. Die Substanz leitet sich von den natürlichen Verbindungen Guanidin und seinem Metaboliten Galegin ab, die Inhaltsstoffe von Galega officinalis sind. Die Geißraute wurde schon im Mittelalter zur Behandlung verschiedener Erkrankungen eingesetzt, darunter auch Diabetes.
Metformin kommt vor allem bei übergewichtigen Patienten zum Einsatz, wenn Diät und Gewichtsreduktion trotz körperlicher Aktivität keine ausreichende Einstellung des Blutzuckerspiegels erzielen konnten. Metformin hemmt die Glukosebildung in der Leber und verzögert deren Aufnahme im Darm. Im Gegenzug wird die Aufnahme von Blutglukose in die Muskelzellen verstärkt. Die Insulinausschüttung ist vermindert, die Insulinresistenz verbessert und das Hungergefühl nimmt ab.
Beobachtungsstudien: Metformin kann die Sterblichkeit bei Covid-19 verringern
Im April wurde Metfomin als mögliche Therapieoption gegen das neuartige Coronavirus ausgemacht. Forscher hatten ihre Ergebnisse im „Diabetes Research and Clinical Practice“ veröffentlicht und erklärten die Wirksamkeit bei Covid-19 mit einem Effekt von Metformin auf die AMP-aktivierte Proteinkinase und den mTOR-Signalweg (mTOR steht für mechanistic Target of Rapamycin). Metformin aktiviert AMPK über die Leberkinase und hemmt den mTOR-Signalweg. Wird AMPK aktiviert, folgt eine Phosporylierung von ACE2 (Andockstelle für das Virus, ACE2 gilt als funktioneller Rezeptor für SARS-CoV-2), was eine verminderte Bindung von SARS-CoV-2 zur Folge haben kann.
Ende Juli haben US-Forscher ihre Ergebnisse auf „MedRxiv“, einem Preprint-Server, veröffentlicht. Die Wissenschaftler führten eine retrospektive Analyse der Daten aus elektronischen Patientenakten von 25.326 Probanden durch, die zwischen dem 25. Februar und dem 22. Juni 2020 an der University of Alabama im Birmingham Hospital im Süden der USA auf Covid-19 getestet wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Wahrscheinlichkeitsverhältnis für schwere Verläufe bei Diabetikern zwar hoch ist, aber die Behandlung mit Metformin mit einer signifikanten Reduktion der Mortalität assoziiert war.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Diabetes zwar ein unabhängiger Risikofaktor für die Mortalität im Zusammenhang mit Covid-19 ist. Dieses Risiko ist jedoch bei Probanden, die Metformin einnehmen, signifikant reduziert, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Metformin in dieser Hochrisikogruppe einen protektiven Ansatz bieten könnte“, schlussfolgerten die Forscher.
Am 1. August 2020 haben belgische Forscher die Ergebnisse von vier Beobachtungsstudien aus China, den USA und Frankreich im Fachmagazin „Diabetes & Metabolism“ veröffentlicht. Auch hier zeigt sich, dass Typ-2-Diabetes ein Risikofaktor für eine schwerere Erkrankung ist, der zu akutem Atemnotsyndrom und künstlicher Beatmung auf Intensivstationen führen kann und die Todesrate fast verdoppele. „Ein positiver Effekt (ob signifikant oder nicht) wurde in allen vier Studien mit einer Gesamtreduktion der Todesfälle um 25 Prozent beobachtet“, so die Wissenschaftler.
Metformin besitze einen komplexen Wirkmechanismus. Vor allem die entzündungshemmenden Eigenschaften könnten dazu beitragen, das Risiko von schweren Covid-19-Verläufen zu reduzieren.
Bei der Interpretation der Ergebnisse sei jedoch Vorsicht geboten, mahnen die Forscher. Allerdings gebe es zumindest keine negativen Sicherheitsindikationen, sodass es keinen Grund gebe, die Metformin-Therapie während einer Covid-19-Infektion abzubrechen. Es sei denn, es kommt zu schweren gastrointestinalen Symptomen, Hypoxie und/oder Multiorganversagen.
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