Lipidsenker sind grundsätzlich von der Verordnung ausgeschlossen – wie immer gibt es Ausnahmen. Mit der Lockerung der Verordnungseinschränkungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) können jetzt noch mehr Patient:innen mit beispielsweise Statinen zulasten der Kassen behandelt werden. Damit kommt der G-BA dem „Gesundes-Herz-Gesetz“ zwar zuvor, aber nicht nach.
Ärzt:innen konnten bislang nur einen Lipidsenker verordnen, wenn bei Patient:innen das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, bei mindestens 20 Prozent lag. Die Risikoschwelle soll künftig herabgesetzt werden, und zwar auf 10 Prozent. Damit wurde die Verordnungsmöglichkeit an den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse angepasst, heißt es vom G-BA.
Da bei Typ-1-Diabetes mit Mikroalbuminurie sowie bei familiärer Hypercholesterinämie ohnehin von einem hohen Risiko auszugehen ist, ist die Verordnungsmöglichkeit in den Fällen zukünftig generell gegeben. Aber auch bestimmte Patient:innen, bei denen bereits unterhalb von 10 Prozent ein hohes kardiovaskuläres Risiko bestehen kann, hat der G-BA definiert. Dazu gehören beispielsweise Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes oder systemische Entzündungserkrankungen mit vergleichbarem kardiovaskulären Risiko, HIV-Infektion oder Schizophrenie, bipolare Störung und Psychose mit vergleichbarem kardiovaskulären Risiko.
Das Ziel: Durch den Einsatz von Lipidsenkern Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen und die Lebenserwartung verlängern.
Allerdings erteilt der G-BA mit seiner Entscheidung dem Gesundes-Herz-Gesetz eine Abfuhr. Denn: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant eine generelle Absenkung der Risikoschwelle auf unter 10 Prozent. Doch dies ist aus Sicht des G-BA mit den derzeitigen evidenzbasierten Erkenntnissen nicht vereinbar.
„Ob das Senken von erhöhten Blutfettwerten mit Arzneimitteln trotz der damit möglicherweise einhergehenden Nebenwirkungen sinnvoll ist, hängt vom individuellen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung ab“, gibt der G-BA-Vorsitzende Professor Josef Hecken zu bedenken. In vielen Fällen können erhöhte Blutfettwerte durch Primärprävention wie gesunde und angepasste Ernährung sowie ausreichend Bewegung ganz vermieden oder gesenkt werden. „Diese Primärprävention muss immer Vorrang vor Arzneimitteltherapien haben, weil sie keine harmlosen Fruchtgummis sind, sondern ihre Neben- und Langzeitwirkungen immer auch ein Risiko darstellen können. Deshalb sind Lebensstiländerungen immer besser als Medikamente.“
Der Beschluss wird dem Bundesgesundheitsministerium zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
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