Zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) einer HIV-Infektion könnte bald eine weitere Behandlungsoption zur Verfügung stehen. Weil das Virostatikum Lenacapavir laut Studiendaten einen wirksamen Schutz vor einer Infektion bietet, will der Hersteller eine Zulassung als PrEP beantragen.
Lenacapavir (Sunlenca, Gilead) ist zwar EU-weit zur HIV-Behandlung zugelassen, aber hierzulande nicht auf dem Markt. Für die Präexpositionsprophylaxe einer HIV-Infektion steht bisher nur die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil zur Verfügung. Das soll sich ändern. Der Hersteller plant einen Zulassungsantrag von Lenacapavir als PrEP bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Im Zuge dessen könnte auch hierzulande die Markteinführung folgen. Grund dafür: Nach ersten erfolgreichen Studienergebnissen, bei denen der Wirkstoff bei Frauen einen 100-prozentigen Schutz vor einer Infektion zeigte, bestätigen weitere Daten nun seine Wirksamkeit auch bei weiteren Bevölkerungsgruppen.
Lenacapavir bindet irreversibel an die Monomere des HIV-Kapsids – die kegelförmige Proteinhülle um das HIV-Erbgut und die viralen Enzyme – und verhindert so dessen Zusammenbau. Dadurch kann die Viruslast deutlich gesenkt werden, auch wenn keine vollständige Heilung erfolgt. Lenacapavir-haltige Arzneimittel werden zu Therapiebeginn zwei Wochen lang in Tablettenform verabreicht. Anschließend erfolgt eine zweimal jährliche Injektion. Die Behandlung erfolgt in Kombination mit anderen HIV-Medikamenten.
Lenacapavir als PrEP wirksam
Untersucht wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit des Wirkstoffs als HIV-PrEP bei Männern, Trans-Frauen, Trans-Männern und nicht-binären Personen. Dafür wurde ihnen Lenacapavir zweimal pro Jahr injiziert und ein Vergleich zur einmal täglichen Behandlung mit der PrEP aus Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil angestellt.
Insgesamt wurden 3.265 Teilnehmende berücksichtigt, von denen knapp 2.200 Lenacapavir erhielten. Zwei von ihnen infizierten sich mit HIV – folglich blieben rund 99 Prozent gesund. Demgegenüber kam es in der Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil-Gruppe zu neun Neuinfektionen. Die möglichen Nebenwirkungen waren dabei in beiden Gruppen vergleichbar, auch in puncto Häufigkeit. Signifikante Sicherheitsbedenken wurden unter der Behandlung mit Lenacapavir nicht festgestellt.
Durch die nur zweimal jährliche Verabreichung könnte der Wirkstoff für eine bessere Einhaltung des Behandlungsplans sorgen, und zwar unter Beibehaltung einer hohen Schutzquote, heißt es von den Forschenden. Denn ein Grund für die vermeintlich niedrigere Schutzwirkung von Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil liegt der Studie zufolge in der sinkenden Therapietreue, die von der achten bis zur 26. Behandlungswoche von 82 Prozent auf 67 Prozent sank und nach einem Jahr nur noch 62 Prozent betrug.
Lenacapavir als PrEP auch in Deutschland verfügbar?
Auf Grundlage der Ergebnisse will der Hersteller nun „eine Reihe von globalen Zulassungsanträgen für Lenacapavir als PrEP“ stellen und damit bis Ende des Jahres beginnen, heißt es in einer Mitteilung. Auch bei der EMA soll ein Antrag auf Zulassung erfolgen. „Es ist richtig, dass wir planen, Len4Prep, d.h. Lenacapavir zur HIV-Prävention 2025 zur Zulassung einzureichen. Einen genaueren Zeitplan gibt es noch nicht“, erklärt ein Sprecher. Angepeilt ist jedoch das erste Quartal 2025. Ob das Arzneimittel zur PrEP auch hierzulande auf den Markt kommt, ist noch offen.
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