In den Apotheken darf derzeit gegen Corona und Grippe geimpft werden. Doch das soll sich ändern. Das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit sieht eine Ausweitung auf alle Totimpfstoffe vor. Doch ist das Impfen in der Apotheke wirtschaftlich auskömmlich, oder zahlen Apotheken drauf? Die Frage beantwortet das Beratungs- und Forschungsunternehmen May und Bauer.
Die Apotheke bietet einen niedrigschwelligen Zugang zur Grippe- und Coronaimpfung und könnte einen Beitrag dazu leisten, die Impfquoten zu steigern. Zahlen des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2022 zeigen, dass gegen Influenza rund 39 Prozent, gegen FSME 19 Prozent und gegen Pneumokokken 25 Prozent der Personen, für die eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) vorliegt, tatsächlich geimpft sind. Das Potenzial ist da.
Doch um das Impfen in den Apothekenalltag und die Versorgungsrealität einzubinden, ist eine Ausweitung nötig. Denn Corona- und Grippeimpfung werden saisonal durchgeführt. Eine Ausweitung auf alle Totimpfstoffe – Impfungen gegen Pertussis, Pneumokokken, Influenza, FSME, Diphtherie, Herpes Zoster oder Tetanus – könnten das Impfen in der Apotheke zu einem Ganzjahresgeschäft machen. Doch ist das Impfen für die Apotheken lukrativ und betriebswirtschaftlich auskömmlich?
May und Bauer haben anhand modellhafter Szenarien berechnet, welche betriebswirtschaftlichen Effekte sich für einzelne Offizinen sowie die deutschen Apotheken durch das Impfen ergeben.
12 Minuten pro Impfung
Für die Berechnung wurde ein Zeitaufwand für eine Impfung von zwölf Minuten zugrunde gelegt. Die Zeit ergibt sich aus der Evaluation von Modellprojekten zur Grippeimpfung. Wird regelmäßig in der Apotheke geimpft und ergibt sich eine Routine, kann von einem Zeitaufwand von elf Minuten ausgegangen werden. Eine Grippeimpfung wird derzeit mit 11,40 Euro – plus 1 Euro für Impfstoffbeschaffung – und eine Corona-Impfung mit maximal 15 Euro vergütet. May und Bauer haben für ihre Berechnungen ein Impfhonorar von 12,50 Euro angenommen.
1,14 Euro pro Minute
Daraus ergibt sich ein Honorar in Höhe von 1,14 Euro pro Minute apothekerlicher Arbeitszeit. Die Expert:innen haben dem das Honorar für die Abgabe einer Rezeptur (12 Cent pro Minute), einem OTC-Arzneimittel (54 Cent die Minute) und einem Rx-Arzneimittel (1,09 Euro) gegenübergestellt.
„Festzuhalten ist demnach, dass die Durchführung von Impfungen in einem durchschnittlichen Einzelfall unter den Rahmenbedingungen der gegenwärtig gegebenen Indikationen betriebswirtschaftlich rentabel für die Apotheke ist“, so May und Bauer.
Mit einem größeren Umfang und zunehmender Routine sind Impfungen mit weniger Zeitaufwand zu realisieren.
Wie viele Impfungen sind in der Apotheke möglich?
Umfrageergebnisse zeigen, dass mittelfristig jede zweite Apotheke Impfungen anbieten wird. May und Bauer gehen in ihren Berechnungen davon aus, dass in einer Apotheke pro Jahr insgesamt 755 Impfungen gegen Grippe, Pneumokokken und FSME verabreicht werden. Ausgegangen von rund sechs Millionen Impfungen in den Apotheken – unterschiedliche Impfschemata berücksichtigt – pro Jahr, ergibt sich in den drei Indikationen ein Anteil von 27 Prozent an Personen, die in der Apotheke geimpft wurden.
8.000 Euro pro Apotheke
Daraus ergibt sich ein Honorarvolumen von rund 80 Millionen Euro pro Jahr zuzüglich der Impfstoff-Marge. Bei 10.000 impfenden Apotheken bleibt somit pro impfender Apotheke ein Gewinnbeitrag von durchschnittlich rund 8.000 Euro pro Apotheke, so die Berechnung.
Vor dem Hintergrund der geplanten Gesetzesänderungen, sind bezogen auf die Impfempfehlungen der Stiko pro Jahr rund acht Millionen Impfungen betroffen. Bei einer Impfquote von 50 Prozent und einem Apothekenanteil von 27 Prozent an diesen Impfungen fallen pro Jahr rund eine Million zusätzliche Impfungen in der Apotheke an.
Impfen in der Apotheke als Wettbewerbsvorteil
Es gilt jedoch auch die Effekte zu berücksichtigen, die als Folgewirkungen mit dem Impfangebot einhergehen. Das Impfangebot kann zu Kundenbindung von Stammkund:innen oder Neukundengewinnung beitragen und für Cross-Selling-Effekte sorgen.
„Perspektivisch kann sich demnach das Impfangebot als echter Wettbewerbsvorteil und eben auch als Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Arzneimittelversendern erweisen“, so May und Bauer. „Noch einen Schritt weiter und über den Horizont der einzelnen Apotheke hinausgedacht, zeigen die bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen mit Apothekenimpfungen auch, dass diese einen strategisch wertvollen Baustein für das Konzept einer zeitgemäßen Apotheke leisten können.“
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