HIV: Vorurteile und Diskriminierung an der Tagesordnung
Rund 90.000 Menschen leiden laut dem Robert-Koch-Institut an HIV, davon mehr als jede/r Zehnte unwissentlich. Trotz der Diagnose können Patient:innen jedoch nahezu beschwerdefrei leben. Schlimmer als die HIV-Erkrankung selbst sind demnach Vorurteile. So leidet beinahe jede/r Betroffene unter Stigmatisierung und Co.
Die Zahl der HIV-Infektionen ist hierzulande zuletzt gestiegen. Denn Präventionsmaßnahmen werden oft nicht ausgeschöpft – auch aufgrund der Pandemie, bemängeln Expert:innen. Für viele Patient:innen bricht mit der Diagnose wohl zunächst einmal eine Welt zusammen. Dabei ist aus medizinischer Sicht ein Leben mit der Erkrankung möglich. „Menschen mit HIV können heute leben, lieben und arbeiten wie alle anderen“, erklärt Matthias Kuske, von der Deutschen Aidshilfe (DAH). Das Problem: Stigmatisierung und Vorurteile stehen für HIV-Erkrankte weiterhin an der Tagesordnung. Zu diesem Ergebnis kommt das Projekt „positive stimmen 2.0“, das die DAH zusammen mit dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) durchgeführt hat.
Demnach bestätigen 90 Prozent der insgesamt rund 1.500 für das Projekt befragten HIV-Patient:innen, „gut“ mit ihrer Infektion zu leben. Ein Großteil der Befragten fühlt sich außerdem gesundheitlich kaum oder gar nicht eingeschränkt – auch dank der inzwischen guten Therapiemöglichkeiten. Doch während es aus medizinischer Sicht viele Fortschritte gebe, hinke die gesellschaftliche Entwicklung hinterher, kritisiert Kuske. 95 Prozent der Befragten leiden unter Vorurteilen und Diskriminierung. Bei jedem/jeder Zweiten führt dies zu einer eingeschränkten Lebensqualität. „Schwerer als die gesundheitlichen Folgen der HIV-Infektion wiegen für viele die sozialen Folgen. Ein Großteil der Befragten unserer Studie ist im Alltag weiterhin mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung konfrontiert“, so Kuske. Besonders häufig kommt dies offenbar im Gesundheitswesen vor, beispielsweise bei routinemäßigen medizinischen Behandlungen.
Aufgrund ihrer Erfahrungen verschweigen rund zwei Drittel der Patient:innen ihre Erkrankung, anstatt offen damit umzugehen. Mehr noch: Jeweils ein Viertel schämt sich sogar oder fühlt sich schuldig für die Infektion.
Für die Projektleiter:innen ein No-go. Sie fordern ein Ende der Vorurteile gegenüber HIV-Betroffenen. „Unsere Untersuchung zeigt klar, dass HIV in unserer Gesellschaft weiterhin mit einem Stigma verbunden ist. Wir brauchen weiterhin Aufklärung der Bevölkerung zu den positiven Folgen der HIV-Therapie sowie eine mediale Verbreitung vorurteilsfreier Erzählungen vom Leben mit HIV“, erklärt Dr. Janine Dieckmann vom IDZ.
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