Glucocorticoide (nicht) immer morgens?
Timing ist alles. Das gilt auch für die Einnahme von Arzneimitteln. Während beispielsweise einige orale Kontrazeptiva jeden Tag etwa zur selben Zeit eingenommen werden sollten, gilt für andere Präparate die Empfehlung, sie ausschließlich morgens zu schlucken. Ein Beispiel sind Glucocorticoide. Was dahintersteckt und wann von der Empfehlung abgewichen werden kann, erfährst du von uns.
Dass Glucocorticoide am besten morgens eingenommen werden sollten, ist bekannt. Zu den Gründen dafür gehört, dass zu diesem Zeitpunkt – genau zwischen sechs und neun Uhr – das Potenzial für das Auftreten mögliche unerwünschter Wirkungen am geringsten ausfällt, weil die körpereigene Cortisol-Ausschüttung am höchsten ist. Ein hoher physiologischer Spiegel kann bei der Arzneimitteleinnahme das Risiko für Nebenwirkungen verringern, weil der Körper die Zufuhr weniger wahrnimmt. Hinzukommt die sogenannte „Cortisol-Awakening Response“, die etwa 30 bis 45 Minuten nach dem Aufstehen auftritt und für die Energiebereitstellung wichtig ist.
Eine Einnahme von Glucocorticoiden morgens imitiert somit den natürlichen Verlauf des Cortisol-Spiegels und birgt ein geringeres Risiko, den Schlaf-Wach-Rhythmus zu stören, während dieser durch eine spätere Einnahme durcheinandergebracht werden kann.
Glucocorticoide gibt es zur oralen, dermalen und inhalativen Therapie. Die Wirkstoffe sind vom körpereigenen Cortisol, das in der Nebennierenrinde produziert wird, abgeleitet und wurden strukturell so verändert, dass ihre Wirkung optimiert ist. Glucocorticoide besitzen entzündungshemmende, immunsuppressive und antiallergische Eigenschaften und kommen unter anderem zur Behandlung von Allergien, rheumatischen Krankheiten sowie Autoimmunerkrankungen oder zur Substitutionstherapie zum Einsatz.
Glucocorticoide: Besser morgens und nachmittags statt abends
Doch unter Umständen kann die empfohlene Dosierung auf eine zweimal tägliche Einnahme aufgeteilt werden, beispielsweise bei Schicht- oder Nachtarbeit, chronischem Stress, Depression, Burnout oder Schlafstörungen, wenn das normale Cortisol-Tagesprofil ohnehin verändert ist.
Statt morgens und abends sollte die Einnahme jedoch trotzdem besser morgens und nachmittags erfolgen, wie auch in der S2-Leitlinie zur Behandlung der Polymyalgia rheumatica festgehalten ist: „In speziellen Situationen kann die Dosis in eine morgendliche und nachmittägliche/frühabendliche Gabe (50/50 Prozent oder 66/34 Prozent) aufgeteilt werden, zum Beispiel wenn nächtliche Schmerzen während der Reduktion der Glukokortikoid-Dosis im Bereich unterhalb von 5 mg/d Prednison-Äquivalent auftreten.“
Denn: Am frühen Nachmittag kommt es nochmals zu einem kleinen Peak des Cortisol-Spiegels, der durch die Mahlzeiten stimuliert wird. Daher sollte die zweite Dosis Glucocorticoide möglichst nah an diesem zweiten Höhepunkt verabreicht werden, um wiederum Nebenwirkungen zu verringern.
Bei einer abendlichen Gabe kann Expert:innen zufolge wiederum die körpereigene Cortisol-Ausschüttung blockiert werden, weil der zuständigen Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse vermittelt wird, dass ausreichend Cortisol vorhanden ist. Die Folge: Das Risiko für eine Nebennierenrindeninsuffizienz steigt im Vergleich zur morgendlichen Einnahme.
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