Gabapentin: Risiko für Selbstverletzung?
Die Zahl der Gabapentinoid-Verschreibungen ist auch hierzulande in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Doch die Wirkstoffe sind mit Risiken verbunden – Stichworte Abhängigkeit und Sucht. Diskutiert wird außerdem, ob Gabapentin und Co. das Risiko für Selbstverletzung erhöhen. Eine Studie liefert die Antwort.
Gabapentin und andere Gabapentinoide gehören zu den Antikonvulsiva und kommen in der Regel zur Behandlung von Nervenschmerzen, Epilepsie oder Angstzuständen zum Einsatz. Die Wirkung beruht auf der Bindung an spannungsabhängige Calciumkanäle. Dadurch wird im zentralen Nervensystem die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter wie Noradrenalin und der Substanz P verringert. Die neuronale Erregbarkeit wird folglich gesenkt.
Doch keine Wirkung ohne mögliche Nebenwirkungen. So gehören Suizidgedanken und suizidales Verhalten unter Arzneimitteln mit Gabapentinoiden laut einigen Fachinformationen zu den unerwünschten Effekten. So wird unter Gabapentin und Co. mitunter über ein erhöhtes Risiko für Selbstverletzungen berichtet. Ob dies bei einer Behandlung verstärkt auftreten kann, wollten Forschende herausfinden.
Übrigens: Weil Wirkstoffe wie Gabapentin und Pregabalin aufgrund ihres euphorisierenden Effektes häufig auch missbräuchlich verwendet werden und bereits über zahlreiche Todesfälle berichtet wurde, hatten Expert:innen zuletzt eine BtM-Pflicht gefordert.
Gabapentin und Co.: Kein erhöhtes Risiko für Selbstverletzung
Von vorn. Wie ein Forscherteam des University College London (Großbritannien) betont, war das Risiko für selbstverletzendes Verhalten im Zusammenhang mit Gabapentinoiden bisher noch ungeklärt. Dies wollten die Wissenschaftler:innen ändern und führten eine Analyse von mehr als 10.000 Patientendaten durch. Alle Patient:innen erhielten Gabapentinoide wie Gabapentin und wiesen zwischen 2000 und 2020 mindestens einen Fall von Selbstverletzung auf. Ermittelt wurden die jeweiligen Inzidenzraten für entsprechende Vorfälle, und zwar vor, während und nach der Behandlung.
Das Ergebnis: Viele Patient:innen zeigten schon vor Therapiebeginn selbstverletzendes Verhalten. Zu einer Erhöhung des Selbstverletzungs-Risikos durch Gabapentin und Co. kommt es demnach in der Regel nicht. Auf der anderen Seite kann die Behandlung mit entsprechenden Arzneimitteln auch nicht dazu beitragen, dieses zu verringern. Denn nach Absetzen der Behandlung fiel die Inzidenzrate am höchsten aus. Zum Vergleich:
- 90 Tage vor Behandlungsbeginn: Inzidenzrate von 16,79 pro 100 Personenjahre
- während der Behandlung: 9,66
- 14 Tage nach Therapieende: 29,60
Wie die Forschenden betonen, wurden die Ergebnisse bei verschiedenen Gabapentinoiden sowie unabhängig von Alter, Geschlecht und möglichen psychiatrischen Begleiterkrankungen beobachtet. Gänzlich ausschließen lasse sich ein erhöhtes Risiko für Selbstverletzung unter Gabapentin und Co. anhand dessen zwar nicht, ein direkter kausaler Zusammenhang sei jedoch ebenfalls nicht belegbar. Folglich könnten vor allem die psychischen Beschwerden, die überhaupt zur Einleitung der Therapie führen, eine entscheidende Rolle spielen.
Die Expert:innen raten jedoch dazu, Patient:innen während und nach der Therapie mit Gabapentin und Co. engmaschig zu überwachen, um Selbstverletzungen zu vorzubeugen.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
Plötzlicher Herztod durch Antidepressiva?
Schätzungsweise jede/r Sechste leidet hierzulande an depressiven Störungen. Behandelt wird vor allem medikamentös. Doch dabei ist Vorsicht geboten. Denn: Unter …
Darmkrebs: „Power-Impfung“ sorgt für Tumorrückgang
Um die Behandlung von Krebspatient:innen zu verbessern, wird stetig nach weiteren Therapieoptionen gesucht. Nun haben Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover …
Rezeptur 1×1: Bedenkliche Stoffe in der Rezeptur
Ob Wirkstoffe, Zubereitung oder Wechselwirkungen – nicht nur bei der Beratung im HV, sondern auch in der Rezeptur ist dein …