Ethanol bald CMR? Das sind die Folgen
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) diskutiert aktuell über die Frage, einer Einstufung von Ethanol als CMR – kanzerogen, mutagen und reproduktionstoxisch. Ende des Monats soll die Entscheidung fallen. Doch Expert:innen schlagen Alarm und warnen vor einem drohenden Verbot von Ethanol in Desinfektionsmitteln.
Der Ausschuss für Biozidprodukte der ECHA hat ein Biozidverfahren zu Ethanol eröffnet. Konkret geht es um die Frage, ob Ethanol in Biozidprodukten wie Desinfektionsmitteln als krebserregend (carcinogenic), erbgutverändernd (mutagen) und/oder fortpflanzungsgefährdend (reprotoxic) der Kategorie 1A eingestuft werden soll.
Doch ein positives Votum für eine Neueinstufung hätte weitreichende Folgen, warnen Expert:innen: „Diese Einstufung würde die Produktion und den Einsatz von Desinfektionsmitteln, Arzneimitteln und Medizinprodukten erschweren oder gar verbieten“, heißt es unter anderem in einer gemeinsamen Stellungnahme von Pharma Deutschland, dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, Pro Generika und weiteren Institutionen, die auch verschiedene Hersteller unterstützen.
Keine Alternativen zu Ethanol
Der Grund: Weil Ethanol als wichtigster Bestandteil von Handdesinfektionsmitteln, Flächendesinfektionsmitteln, Antiseptika und weiteren Biozidprodukten gilt und keine alternative Substanz eine ähnliche nachgewiesene Wirksamkeit, Sicherheit und Verfügbarkeit erreicht, sei er unverzichtbar für die öffentliche Gesundheit, warnen in einem offenen Brief auch mehr als 840 internationale Organisationen, Verbände, Unternehmen und Einzelpersonen. So würden Biozidprodukte auf Ethanolbasis eine zuverlässige Abwehr von Infektionen und Viren wie Grippe und Corona ermöglichen und auch bei der Behandlung von Pilzerkrankungen eine Rolle spielen. Auch für weitere Branchen sei Ethanol unverzichtbar, beispielsweise in der Kosmetikindustrie und der Landwirtschaft.
Kritisch daran: Die derzeitige Gefahreneinschätzung basiere vor allem auf Daten zu missbräuchlichem oralen Alkoholkonsum. Im Rahmen einer professionellen Anwendung von Ethanol im Gesundheitsbereich finde eine Exposition jedoch nur über die Haut und in Ausnahmefällen inhalativ statt. Bisher gebe es keine Nachweise, dass eine entsprechende Anwendung von Desinfektionsmitteln und Co. eine CRM-Wirkung habe, heißt es von den Expert:innen weiter.
Bei Einstufung als CMR: Ethanol für Schwangere tabu
Kommt es zu einer Neueinstufung als reproduktionstoxisch, wäre der Umgang mit Ethanol beispielsweise für Schwangere und Stillende tabu. So wurde auch Talkum vor rund einem Jahr als CMR eingestuft. Eine Rezepturherstellung, beispielsweise von Pudern oder Schüttelmixturen, ist damit in der Schwangerschaft nicht erlaubt. Bei einer Einordnung als CMR in die Kategorie 1A oder 1B wäre zudem die Abgabe von ethanolhaltigen Desinfektionsmitteln an private Anwender:innen untersagt und es dürften keine Desinfektionsmittelspender mehr öffentlich bereitgestellt werden, beispielsweise in Gesundheitseinrichtungen.
„Eine Einstufung als CMR-Stoff sehen wir daher als unverhältnismäßig und unsachgemäß an, da Ethanol bei bestimmungsgemäßer Verwendung sicher und alternativlos ist“, heißt es in der Stellungnahme der deutschen Verbände weiter. Daher gelte es laut allen Expert:innen, die Neueinstufung auf EU-Ebene zu verhindern.
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