Gibt es einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von Legionellen und einem erhöhten Risiko für einen schwerwiegenden Verlauf von Covid-19? Zwar scheint dies derzeit noch spekulativ, doch geben die ungewöhnlich hohen Mortalitätsraten im italienischen Bergamo und Brescia allen Grund zur Annahme, wie der Geschäftsführer des Umweltlabors und der Trinkwasseruntersuchungsstelle Blue Biolabs, Oliver Thronicker, erklärt.
Die Mortalitätsrate aufgrund des neuartigen Coronavirus ist in einzelnen Regionen Italiens besonders hoch. Bislang sind dort mehr als hunderttausend Menschen an Covid-19 erkrankt und mehr als dreizehntausend Infizierte an den Folgen der Erkrankung verstorben (Stand 2. April). Risikogebiet ist vor allem die Lombardei in Norditalien. Die Provinz Brescia war bereits vor zwei Jahren in den Schlagzahlen, als hunderte Menschen auf mysteriöse Weise an einer Lungenentzündung erkrankten. Als Infektionsquelle wurde damals das Bakterium Legionella pneumophila ausgemacht, das nicht aus Wasserleitungen, sondern aus Verdunstungskühlanlagen, die ihr Wasser aus einem stark belasteten Fluss gezogen haben, in die Umwelt gelangte. Diese Aerosole wurden von den Bewohnern eingeatmet und lösten schließlich bei vielen der Betroffenen eine Legionellose aus.
Legionellen sind weit verbreitete Umweltkeime, die vor allem in technischen Einrichtungen wie offenen Rückkühlwerken, Trinkwassersystemen und Kläranlagen zu finden sind. Für Thronicker, der sich seit Jahren mit der hygienischen Prüfung solcher Anlagen befasst, sind die Indizien schlüssig. „Möglicherweise kann eine hohe Hintergrundbelastung mit Legionellen im Zusammenhang mit einer erhöhten Mortalitätsrate einer SARS-CoV-2-Infektion stehen.“ Neben Italien sind auch Spanien, Frankreich und die Niederlande laut Zahlen des European Center for Disease Prevention and Control Spitzenreiter bei der registrierten Legionellose pro Einwohner. Die genannten Länder verzeichnen derzeit mit 7 bis 11 Prozent die höchsten Mortalitätsraten aufgrund von Covid-19-Infektionen in Europa. Zum Vergleich: Im Durchschnitt liegt die Covid-19 bedingte Mortalität in den europäischen Ländern bei circa 2 Prozent.
Möglicherweise könnten die Bewohner der Lombardei aufgrund der Legionellenbelastung und einer ohnehin geschwächten Lunge anfälliger für Superinfektionen sein. Thronicker erklärt: „Ist die Lunge, wie in der aktuellen Situation durch eine Virusinfektion geschwächt, haben Bakterien leichtes Spiel, können den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen und Komplikationen verursachen. Besonders häufig treten Superinfektionen im Zusammenhang mit Staphylokokken und Streptokokken auf. Weil SARS-CoV-2 ohnehin Auslöser für Lungenentzündungen ist, können die ebenfalls für die Atemwege hochgefährlichen Legionellen die Situation noch verschärfen.“
Schwache Indizien für einen Zusammenhang auch in Deutschland
Vergleicht man die Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Covid-19 bedingten Todesfällen je Einwohner (Stand 2. April 2020) mit den gemeldeten Legionellen-Infektionen im jeweiligen Bundesland (Stand 2018), zeigt sich, dass insbesondere Bayern und Baden-Württemberg in beiden Statistiken besonders stark hervortreten.
„Das fatale Zusammenwirken der Legionärskrankheit und virusbedingten Lungenkrankungen wurde auch bereits in einer italienischen Studie aus dem Jahr 2011 (Michele Iannuzzi et al.) thematisiert. Ein Umstand, der die Diagnose einer Superinfektion erschwert, ist, dass virale Lungeninfekte und Legionellosen teilweise sehr ähnliche Symptome aufweisen können“, so Thronicker.
Auch wenn die mögliche Superinfektion durch Legionellen nur einen geringen Anteil an den vielen Faktoren darstelle, welche die Mortalität einer Covid-19 Erkrankung beeinflussen, ist aus Sicht des Trinkwasserexperten grade in diesen Tagen eine besondere Sorgfalt bei der mikrobiologischen Überprüfung bestehender Anlagen angebracht. Bestehende gesetzliche Fristen zur Überprüfung, sollte man daher keinesfalls aufschieben.
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