Digitaler Impfnachweis: „Arztpraxis ist kein zweites Bürgeramt“
Noch im Sommer sollen alle Bürger:innen ein Impfangebot erhalten, versprach Gesundheitsminister Jens Spahn schon im April. Seit Kurzem genießen Geimpfte und Genesene zudem Erleichterungen, beispielsweise beim Reisen. Um den Immunstatus nachzuweisen, soll es bald einen digitalen Impfnachweis geben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sieht darin nur einen begrenzten Nutzen.
Die Corona-Impfungen haben in den letzten Wochen Fahrt aufgenommen, auch dank der Arztpraxen. In den kommenden Wochen soll das Tempo weiter anziehen und die Priorisierung ab dem 7. Juni entfallen. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Aufhebung der Impfpriorisierung zwar ein grundsätzlich richtiger Schritt, der die Praxisorganisation vereinfachen und die Wartezeiten für Patient:innen verkürzen dürfte – allerdings nur, wenn ausreichend Impfstoff bereitgestellt wird. Bisher sei dies nicht der Fall, denn der Monat Mai war eine regelrechte „Durststrecke“, betont Stefan Hofmeister, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Ihm zufolge könnten die niedergelassenen Mediziner:innen pro Woche bis zu fünf Millionen Impfdosen verabreichen. So ist sich KBV-Chef Andreas Gassen sicher, dass die Praxen für alle Impfwilligen im Sommer ein Impfangebot ermöglichen können. Mehr noch: Die Unterstützung der Impfzentren braucht es in seinen Augen langfristig nicht mehr, denn die ambulante Versorgung durch die Praxen sei ein bewährtes System.
Damit die Praxen beim Impftempo nicht ausgebremst werden, dürften sie in den Augen der KBV-Vorstände nicht mit zusätzlicher Bürokratie belegt werden, beispielsweise mit mehrfachen Dokumentationen zu den Impfungen. Denn schon im Juni soll es einen EU-weiten digitalen Impfnachweis geben, mit dem vollständig Geimpfte unter anderem Erleichterungen beim Reisen genießen sollen. Folglich sei der Nachweis kein medizinisch notwendiges Dokument, sondern vielmehr eine Art „Freiheitspass“, erklärt KBV-Vorstandsmitglied Thomas Kriedel. „Vor diesem Hintergrund ist es nicht originäre Aufgabe der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, solche Nachweise auszustellen. Die Arztpraxis ist kein zweites Bürgeramt. Wir sind aber grundsätzlich bereit, solche Nachweise für diejenigen auszustellen, die auch in der Praxis geimpft worden sind“, pflichtet Gassen bei.
Millionen Impfungen aus Impfzentren nachzutragen, würde jedoch die Kapazitäten der Praxen sprengen, die aufgrund des Hin und Her bei den Impfstofflieferungen der letzten Wochen ohnehin am Anschlag seien, so Hofmeister. Da es sich beim digitalen Impfnachweis außerdem um ein Reisedokument handele, seien für die Eintragung auch keine medizinischen Kenntnisse notwendig. Es müssten lediglich die von den Geimpften vorgelegten Dokumente zur Impfung kontrolliert werden. Dies könne sowohl in Apotheken als auch durch andere Stellen erfolgen.
Hinzu kommt, dass der digitale Impfnachweis laut Kriedel ohnehin nur als temporäres Projekt rund um Covid-19 angedacht sei, bis das Ende der Pandemie erreicht ist. Anstatt sich also nur darauf zu konzentrieren, sollte sich die EU eher darauf verständigen, dass der ohnehin genutzte gelbe Impfausweis der Weltgesundheitsorganisation überall anerkannt wird, so die Experten. In jedem Fall sollte sich die Dokumentation in den Praxen auf das Nötigste beschränken, um sie beim Impfen nicht auszubremsen.
Völlig unklar sei bisher außerdem, wie der geplante Nachweis über eine durchgemachte Infektion erfolgen und worauf dieser basieren soll.
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