Ich war mein Leben lang frei von Herpes-Infektionen und sehr dankbar dafür. Als ich im fünften Monat schwanger war, erblüte plötzlich ein gigantischer Lippenherpes. Drei Wochen hatte ich riesige Bläschen und Krusten direkt an der Unterlippe und mochte kaum noch an den HV-Tisch gehen. Und zudem fragte ich mich aber auch: Kann Herpes in der Schwangerschaft gefährlich für mein ungeborenes Baby sein?! Ein Gespräch mit meiner Gynäkologin brachte schnell Entwarnung.
Herpes nicht nur in der Schwangerschaft: Fast jeder hat ihn
Das Herpes-simplex-Virus (HSV) ist ausschließlich beim Menschen zu finden. Unterschieden werden insbesondere die Typen HSV1 und HSV2. Während man früher HSV1 ausschließlich beim Herpes labialis und HSV2 beim Herpes genitalis verortet hat, stimmt diese Zuordnung heute nicht mehr.
Obwohl die Hülle von Herpes simplex-Viren ganz leicht mit Seifen und Desinfektionsmittel zerstört und die Übertragung verhindert werden kann, ist die Durchseuchungsrate mit HSV erstaunlich hoch: Schätzungen zufolge haben neun von zehn Menschen im Laufe ihres Lebens Kontakt mit Herpes simplex Viren. Die meisten Kontakte finden bereits im Kindesalter statt. 90 Prozent der Infektionen verlaufen dabei völlig symptomfrei.
Etwa 20 Prozent der Kinder zwischen zwei und drei Jahren sind in Deutschland HSV1-positiv, bei Erwachsenen sind es sogar über 90 Prozent.
HSV1 wird als einfache Schmierinfektion zum Beispiel über den Speichel übertragen, bei HSV2 ist es intensiver Schleimhautkontakt (zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr).
Unterschieden werden die Primärinfektion und die Sekundärinfektion, eine Reaktivierung einer vorangegangenen Primärinfektion (Herpes rezidivans). Bei der Primärinfektion tritt das Herpes simplex-Virus in eine Zelle ein, vermehrt sich im infizierten Epithel und führt gegebenenfalls zu den typischen Symptomen.
Behandlungsmöglichkeiten in der Selbstmedikation
Cremes
Zur Behandlung von Lippenherpes stehen verschiedene Wirkstoffe in Form von Cremes und Salben zur Verfügung. Der Wirkstoff Aciclovir ist laut Embryotox unbedenklich und kann daher gut empfohlen werden. Ganz wichtig: Danach auf jeden Fall gründlich die Hände waschen und desinfizieren oder direkt ein Wattestäbchen verwenden!
Die Kombi aus Aciclovir und Hydrocortison solte nur nach Arztrücksprache Anwednung finden.
Penciclovir sollte bei Herpes in der Schwangerschaft nur unter Aufsicht eines Arztes und nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden. Allerdings ist Penciclovir in der Schwangerschaft aller Wahrscheinlichkeit nach unbedenklich für Mutter und Kind, jedoch liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen vor.
Cremes mit Melissenextrakt oder Docosanol sind für Schwangere geeignet.
Pflaster
Herpes-Patches sind die wirkstofffreie Alternative zur Creme. Die Hydrokolloid-Pflaster decken den infizierten Bereich ab und können so die Übertragung und Ausbreitung der Viren eindämmen. Das Pflaster nimmt zudem das Bläschensekret und sorgt für ein ideales feuchtes Wundheilungsmilieu. Die Wunde heilt schneller ab und die Krustenbildung ist vermindert.
Hitze
Herpotherm ist ein Stift mit einer keramischen Kontaktfläche, an der ein kurzer konzentrierter Wärmeimplus von etwa 51 Grad erzeugt wird. Die Temperatur wird für etwa drei Sekunden aufrechterhalten – solange sollte auch Kontakt mit der Lippe bestehen. Wer unter Herpes in der Schwangerschaft leidet und auf eine wirkstoffreie Alternative ausweichen will, ist mit der Hitzemethode gut beraten.
Lysin
Lysinhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollen im Falle einer HSV1-Infektion Linderung verschaffen. Die Aminosäure soll die Argininverwertung der Viren reduzieren und so die Virusvermehrung stoppen. Lysin verdrängt Arginin im Körper und entzieht dem Virus so die Lebensgrundlage.
Verlauf
Primärinfektionen schwangerer Frauen verlaufen in der Regel schwerer als bei Nichtschwangeren, der kutane Befall ist großflächiger. Es können Gingivostomatitis oder herpetische Vulvovaginitis auftreten. Sehr schwer verlaufende Formen mit viszeraler Beteiligung sind dagegen extrem selten.
Während der Primärinfektion befällt das Virus außerdem sensible Nervenzellen. Dort verbleibt es ein Leben lang überwiegend in der sogenannten Latenzphase und wird durch unterschiedliche Auslöser wieder reaktiviert. Dies führt zu einem erneuten, in aller Regel schwächeren Ausbruch. Aufgrund der Anpassung des Immunsystems bei Schwangeren kann es zu einer Reaktivierung von HSV kommen, obwohl es jahrelang keinen Ausbruch gab. Auch Frauen, die öfter mit Herpes zu tun haben, erleben in der Schwangerschaft eine höhere Ausbruchsrate. Experten zufolge ist das Immunsystem während der Gravidität jedoch nicht etwa geschwächt, sondern vielmehr verfeinert, da es an die komplexe Situation angepasst ist, bei der der Fötus toleriert wird und gleichzeitig Mikroorganismen abgewehrt werden müssen.
Anders als das erhöhte Auftreten von Reaktivierungen, sollen Primärinfektionen in der Schwangerschaft nicht gehäuft vorkommen.
Herpes in der Schwangerschaft: Wann wird es gefährlich?
Eins vorweg: Herpesinfektionen in der Schwangerschaft sind unangenehm und lästig, stellen in der Regel aber keine Gefahr für Mutter und Kind dar. Es gibt wenige Ausnahmefälle, bei denen beispielsweise ein Kaiserschnitt indiziert ist, um das Ungeborene zu schützen. Dies ist der Fall, wenn ein Kind noch nicht ausreichend immunkompetent ist (zum Beispiel aufgrund einer Frühgeburt) und auch noch keine Leihimmunität durch die Mutter erhalten hat (also innerhalb von zehn Tagen nach Auftreten der Primärinfektion zur Welt kommt) und unter der Geburt (Herpes genitalis) oder direkt danach (Herpes labialis, zum Beispiel durch Küssen) direkten Kontakt zur HSV-Läsion hat.
Eine Primärinfektion im normalen Schwangerschaftsverlauf ist unbedeutend, da der Fötus nach etwa zehn Tagen eine Leihimmunität mit den gebildeten Antikörpern der Mutter über die Plazenta erhält. In der Spätschwangerschaft hingegen ist es wichtig, dass das Kind möglichst nicht innerhalb der nächsten zehn Tage nach Auftreten der Primärinfektion auf die Welt kommt, da die Leihimmunität dann noch nicht vorhanden ist. In allen Fällen kann ein Abstrich vor der Geburt hilfreich sein, da viele Infektionen symptomlos verlaufen und die Mutter aufgrund der hohen Durchseuchungsrate möglicherweise bereits früher Kontakt zu dem Virus hatte und Antikörper gebildet hat, ohne es zu wissen.
Meine Gynäkologin konnte mir in meinem Fall jedenfalls ganz schnell die Angst nehmen. Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Die kleinen Herpesbläschen sollten niemals aufgemacht oder ausgedrückt werden (auch nicht, wenn man denkt, es sei ein Pickel), da einerseits die enthaltene Flüssigkeit hoch infektiös ist und andererseits die Hautläsion mit weiteren pathogenen Erregern kontaminiert werden kann.
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