Phytopharmaka erfreuen sich bei vielen Patient:innen in der Apotheke großer Beliebtheit. So sollen die pflanzlichen Präparate bei verschiedenen Beschwerden Linderung verschaffen. Doch bei Rheuma bleiben Phytopharmaka meist wirkungslos, zeigt eine Analyse.
Rund 100 Millionen Packungen Phytopharmaka werden in den Apotheken hierzulande pro Jahr abgegeben. Für die Herstellung werden Pflanzen oder Pflanzenteile genutzt, beispielsweise Blätter, Wurzeln oder Blüten, die zu Pulvern, Tabletten, Extrakten, Tropfen und Co. verarbeitet werden. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Präparate mit Borretsch, Rosmarin und Co. Auch bei rheumatischen Beschwerden sollen diese Linderung verschaffen, so die Hoffnung. Doch dabei handelt es sich offenbar um einen Irrglauben, wie eine aktuelle Untersuchung von Expert:innen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh) zeigt.
Phytopharmaka: Nutzen bei Rheuma „spärlich“
Um herauszufinden, ob und welchen Nutzen Phytopharmaka bei Rheuma liefern können, hat die Kommission für Komplementäre Heilverfahren und Ernährung der DGRh verschiedene häufig genutzte Präparate überprüft. Genau wurden die bisherigen Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Borretschöl, Brennessel- und Cannabis-Präparaten, Zubereitungen mit Rosa canina (Heckenrose), Rosmarin, Safran und Weidenrinde sowie einem bewährten Mischpräparat aus Eschenrinde, Zitterpappelrinde und Echtem Goldrutenkraut unter die Lupe genommen. Dafür nutzten die Expert:innen wissenschaftliche Literatur zu rezeptfreien und rezeptpflichtigen Präparaten.
Das Ergebnis: Keines der untersuchten Phytopharmaka besitzt eine therapeutische Wirksamkeit bei Rheuma. Während einige Präparate zwar dennoch eingenommen werden können, wird von anderen explizit abgeraten. Dazu zählen beispielsweise Phytopharmaka aus Basis von Safran und Rosmarin, die von der Kommission nicht empfohlen werden. Demgegenüber können pflanzliche Mittel mit Borretschöl im Rahmen einer gesundheitsbewussten Ernährung eingenommen werden, auch wenn dabei keine entzündungshemmende Wirkung zu erwarten ist. Auch Präparate mit Brennnessel, Weidenrinde oder Rosa canina sowie das Mischpräparat können bei Einhaltung einer sinnvollen Basistherapie in der Regel zusätzlich eingesetzt werden.
„Auch wenn für alle untersuchten Pflanzenstoffe Berichte über entzündungshemmende oder immunologische Effekte im Laborversuch am Tiermodell vorliegen, ist ein klinisch nachgewiesener Nutzen sehr spärlich“, fasst Professor Dr. Gernot Keyßer, Sprecher der Kommission und Leiter des Arbeitsbereichs Rheumatologie an der Universitätsmedizin Halle, zusammen.
Medizinisches Cannabis bei Rheuma?
Geprüft wurde auch die Wirkung von medizinischem Cannabis bei Rheuma. Hierbei kommen die Expert:innen zu dem Schluss, dass keine ausreichende Evidenz besteht, die die Empfehlung von Medizinalcannabis zur symptomatischen Therapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen rechtfertigt. „In Einzelfällen kann jedoch die Anwendung zur Reduktion von chronischen, insbesondere neuropathischen Schmerzen sowie Schlafstörungen gerechtfertigt sein.“
Insgesamt sei der Nutzen von Phytopharmaka bei Rheuma folglich gering. Mehr noch. Entscheidend sei es auch, mögliche Risiken einzubeziehen, beispielsweise Hautreaktionen oder Magen-Darm-Beschwerden. Daher sollte die Einnahme nicht auf eigene Faust, sondern nur nach Arztrücksprache erfolgen. „Pflanzliche Heilmittel können eine Basistherapie höchstens ergänzen, aber niemals ersetzen“, so das abschließende Fazit. Weitere Empfehlungen sollen in Kürze veröffentlicht werden.
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