Kein Sonnenbad ohne den passenden Sonnenschutz: Die alten Sonnenprodukte vom letzten Jahr sollten aber besser nicht aufgebraucht werden. Denn wie französische Wissenschaftler:innnen herausfanden, könnte das schwere Folgen haben, denn aus dem UV-Filter Octocrylen kann sich das potentiell krebserregende Benzophenon bilden.
Sonnenanbeter:innen aufgepasst: Ein Bad in der Sonne tut Körper und Seele gut. Der Akku wird wieder aufgeladen, der Teint färbt sich, die Vitamin D-Produktion wird angekurbelt und Endorphine freigesetzt. Also eigentlich alles super, wäre da nicht die Gefahr von Sonnenbrand, Hautalterung und Hautkrebs. Ein Sonnenschutz soll vor den Gefahren schützen. Wer auf die Tube vom Vorjahr setzt, sollte besser umdenken und das alte Produkt entsorgen, denn Sonnencremes sind ohnehin in der Regel nur ein Jahr haltbar und das aus gutem Grund.
Französische Wissenschaftler der Sorbonne und der nationalen Forschungsbehörde CNRS haben verschiedene Kosmetika – Sonnencremes, Anti-Aging-Produkte, Tagespflege – aus Frankreich (neun: darunter La Roche Posay, Uriage, Bioderma, Garnier, Cosmia) und den USA (acht: darunter Coppertone, Neutrogena) künstlich um ein Jahr altern lassen. Augenmerk lag auf dem chemischen UV-Filter Octocrylen, aus dem sich Benzophenon bildete. Als Kontrollprobe kam Nivea Sun SPF 50+ (Frankreich) ohne Octocrylen zum Einsatz. Die Ergebnisse wurden im „Chemical Research in Toxicology“ veröffentlicht.
Octocrylen kann bereits als Ausgangssubstanz mit Benzophenon verunreinigt sein, schreiben die Wissenschaftler:innen. Die Industrie räume ein, dass Benzophenon „bei der Verarbeitung von Octocrylen nicht vollständig entfernt werden kann“. Die Substanz entstehe als Verunreinigung im Herstellungsprozess und mithilfe des derzeitigen Reinigungsverfahrens könne Octocrylen nicht auf <1 mg/kg Benzophenon gereinigt werden. Allerdings sei die Konzentration von Benzophenon in aus Octocrylen hergestellten Produkten „vernachlässigbar“. Außerdem bildet sich mit der Zeit aus dem UV-Filter selbst das möglicherweise kanzerogene Benzophenon. Die Forscher:innen weisen darauf hin, dass 70 Prozent des Benzophenons in einem Körperpflegeprodukt über die Haut in den Körper aufgenommen werden würden.
Benzophenon wurde 2013 von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als möglicherweise krebserzeugend eingestuft. Benzophenonderivate können auf der Haut in Kombination mit Sonnenstrahlen zu allergischen Reaktionen (Photoallergien) führen. Die endokrinen Disruptoren können außerdem Veränderungen des hormonellen Systems verursachen. Benzophenon kann aber auch für die Meere zur Gefahr werden, sich in Korallen anreichern und für deren Absterben verantwortlich sein.
Die Studie: Die Forscher:innen ließen die Produkte künstlich um ein Jahr altern. Benzophenon konnte in allen Octocrylen-haltigen Sonnenschutzmitteln nachgewiesen werden – und zwar bereits zu Studienbeginn. Im Schnitt betrug die Benzophenon-Konzentration 39 mg/kg. Das Team konnte zeigen, dass die Konzentration im Laufe des Alterungsprozesses zunahm, und zwar auf durchschnittlich 75 mg/kg.
„Unsere Arbeit zeigt eindeutig, dass Octocrylen eine langsame Retro-Aldol-Kondensationsreaktion eingeht, die zu Benzophenon führt. Dieser Prozess trat bei allen im Handel erhältlichen getesteten Sonnenschutzmitteln auf, die Octocrylen enthalten, was zu einer gleichzeitigen Erhöhung der Benzophenonkonzentration beim Altern des Produkts führte“, so die Wissenschaftler:innen.
Die Substanz sei dafür bekannt dermatologische Pathologien zu induzieren, einschließlich Kontaktdermatitis, Erythem, Urtikaria und photoinduzierter Dermatitis. In Ratten- und Mausmodellen konnten Anzeichen von Leberschädigung und homöostatischer Belastung bei Exposition gegenüber Benzophenon dokumentiert werden, schreiben die Forscher:innen. „Erste Hinweise deuten möglicherweise darauf hin, dass Octocrylen eine Rolle beim Verhalten der Tumorentstehung und Karzinogenese spielt.“ Außerdem könnte Octocrylen eine Gefahr für Korallen, Algen und die ökologische Integrität der Meere darstellen.
Ein endgültiger Beweis dafür, dass Octocrylen kanzerogen oder reproduktionstoxisch auf den Menschen wirkt, steht noch aus. Dennoch fordert das Team ein Verbot für beide Substanzen. „Octocrylenprodukte, die Benzophenon enthalten, können eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit und sogar für die ökologische Gesundheit darstellen“, schlussfolgern die Wissenschafler:innen.
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