Der Tag der Apotheke wird seit 1998 von der Abda ausgerufen. Ziel ist es, auf gesundheitspolitische Entwicklungen und die Wichtigkeit der Apotheken hinzuweisen. Bislang war der 7. Juni immer mit positiven Attributen verbunden. Doch in diesem Jahr sieht die Welt anders aus, so Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. „Die Versorgung in der Fläche ist in Gefahr.“ Overwiening sieht die Apotheken vor allem am Tag der Apotheke als Anwälte der Patient:innen.
Am Montag traf sich die Abda-Spitze im Bundesgesundheitsministerium mit Professor Karl Lauterbach. Ins Detail geht Overwiening nicht. „Wir bleiben im Dialog, die Pläne in der Entwicklung weiter zu begleiten. Der Tag der Apotheke ist Teil der Kommunikationsstrategie“, so die Abda-Präsidentin. Das BMG habe die bedrohliche Lage der Apotheken erkannt, aber man sei sich nicht in der Wahl der Mittel einig, was man dagegen tut. „Die Ressortabstimmung ist intensiv“, so Overwiening. Es würden verschiedene Bereiche angesprochen, die zu Modifizierung und Verzögerung des Entwurfes führen. Dies habe der Minister deutlich gemacht.
Apotheken stehen unter Druck. Ursachen sind Personalengpässe, Lieferengpässe und die nicht mehr zu ertragende Überbürokratisierung sowie die überfällige Honoraranpassung. Kein Wunder, dass die Zahl der Apotheken in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 20 Prozent gesunken ist. Allein im vergangenen Jahr haben 500 Apotheken für immer geschlossen. Deutschland befinde sich bei der Apothekendichte im europäischen Vergleich im unteren Drittel – der europäische Schnitt liegt bei 32 Apotheken, die 100.000 Menschen versorgen. Hierzulande sind es nur noch 20,8 Apotheken, die 100.000 Menschen versorgen.
„Wir brauchen vor allem leistungsstarke Apotheken – eine feste Zahl kann ich nicht nennen. Bricht das System, brauchen wir andere Versorgungsmodelle.“ Außerdem sei der Aspekt der Wohnortdistanz entscheidend. Der von den Kassen oft bemühte Mythos, in den Städten gebe es zu viele Apotheken, ist schlicht ein falsches Bild, so Overwiening. „Nur weil man es immer wieder wiederholt, wird es nicht wahrer.“
Abda: Apothekensterben stoppen
Die Politik ist gefordert und trägt Verantwortung, so die Abda-Präsidentin. Politik müsse alles daransetzen, um die Entwicklung des Apothekensterbens zu stoppen. Overwiening warnt vor Einschränkungen. Die angedachten Eckpunkte würden die Versorgung vor Ort in einem noch nie da gewesenen Maß ausdünnen, oder sogar ganz aufs Spiel setzen.
So habe das Bundesgesundheitsministerium zwar erkannt, dass die sinkende Apothekenzahl zu einem Problem in der Versorgung führen wird, aber anstatt die Apotheken zu stabilisieren, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollen Apotheken ohne Approbierte betrieben werden. Das bedeute einen Wegfall der Kernkompetenz und der Struktur der Arzneimittelversorgung.
Im vergangenen Jahr haben die Apotheken vor Ort elf Millionen individuelle Rezepturen hergestellt und 420.000 Nacht- und Notdienste geleistet. Ein erschwerter Zugang zu solchen Leistungen werde das soziale Gefüge gefährden und ins Wanken bringen.
„Politik darf nicht zulassen, dass nur noch Bürger:innen in bestimmten Lagen nachts im Notdienst Arzneimittel erhalten oder Rezepturen hergestellt bekommen. Wir wissen, dass unsere Patient:innen solche Leistungskürzungen nicht wollen.“ Zudem erinnert Overwiening an das Versprechen des Bundesgesundheitsministers zum Start der Legislatur, dass es trotz angespannter Finanzlage keine Leistungskürzungen geben werde.
„Die Bevölkerung braucht Apotheken vor Ort mit vollem Leistungsspektrum, als Sicherheit gebende Instanz.“
Vor-Ort-Apotheken sind für Patient:innen unverzichtbar
Um die Bedeutung der Apotheken zu belegen, hat die Abda eine groß angelegte Patientenbefragung durchgeführt. Die Apothekenteams haben Patient:innen auf die Online-Umfrage in der Zeit vom 22. April bis 1. Juni aufmerksam gemacht. 41.000 Personen haben teilgenommen.
Die Befragten stimmten zu 98 Prozent für mehr Entscheidungsfreiheiten – mehr Freiheiten bei Arzneimittelabgabe – für Apotheken bei Engpässen. Auch der Notdienst ist eine unbedingt erforderliche Versorgungsleistung. Je 93 Prozent wollen weiterhin Rezepturen und Nacht- und Notdienste, die jedoch durch die geplanten „Scheinapotheken“ in Gefahr seien. 94 Prozent möchten insgesamt nicht auf die Apotheke vor Ort verzichten.
Da überrasche es, dass das BMG versucht, Pläne als innovativ und fortschrittlich darzustellen, die es aber gar nicht sind. Overwiening verweist auf das Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes aus dem Jahr 2014 „mit exakt den Ideen, die in diesen Tagen als Novum vorgetragen werden – PTA in Filialapotheken ohne Approbierte, wenn sie über Kommunikationswege mit Apotheker:innen verbunden sind.“ Die GKV verwendete schon damals den Begriff Teleassistenz. Der Vorschlag wurde 1:1 übernommen und nun als Telepharmazie bezeichnet. Dabei ist dies nur Kommunikation von Apotheke zu Apotheke und keine Telepharmazie, denn die richtet sich von der Apotheke an die Patient:innen, macht Overwiening klar.
„Das Vorgehen ist nicht am Wohle der Menschen und am Versorgungsalltag orientiert, sondern an den Ideen der GKV.“ Es gehe um Leistungskürzungspläne, die schon seit zehn Jahren in den Köpfen der Krankenkassenlobby herumschwirren, und nicht um die größte Reform. Zudem entfallen nur 1,9 Prozent der GKV-Gesamtausgaben auf Apotheken: Die Kassen geben mehr als doppelt so viel für sich selbst aus, so die Abda-Präsidentin.
„Wer die Grundrechenarten beherrscht, erkennt schnell, dass an Apotheken nicht gespart werden kann.“ Die Behauptungen, dass Apotheken die Beiträge in die Höhe trieben, sind schlichtweg falsch. Die Kassen wollen sich ihren verschwenderischen Stil von Apotheken finanzieren lassen. Das funktioniere nicht. Apotheken würden unter einem doppelten Würgegriff leiden.
Die Kosten der Apotheken steigen seit Jahren drastisch an, während das Honorar stagniert. Daher laufe der Tag der Apotheke in diesem Jahr unter dem Claim „Wir müssen reden“. Apotheken sollen Vertreter:innen aus der Politik zum Gespräch einladen, um auf die derzeitige Situation und die bedrohte Zukunft aufmerksam zu machen.
Adexa: Gehälter anpassen, Arbeitsplätze sichern
Auch die Adexa weist auf die prekäre Situation in den Apotheken hin. Man erlebe derzeit eine deutliche Abwanderung der Fachkräfte in Richtung Industrie und Verwaltung, vor allem, weil dort mehr gezahlt werden kann und die Arbeitsbedingungen attraktiver seien, zitiert Sigrid Joachimsthaler, Pressesprecherin der Apothekengewerkschaft Adexa, aus einem Statement von Bundesvorstand Andreas May. Denn die Löhne der Apothekenangestellten hinken seit Jahren hinterher. „Eine PTA bekommt im 1. Berufsjahr aktuell einen tariflichen Stundenlohn von 13,98 Euro. Eine PKA bekommt 12,46 pro Stunde Einstiegsgehalt, eine angestellte Apothekerin 22,51 Euro pro Stunde. Das sind die Tariflöhne von 2023 bei einer 40-Stunden-Woche im größten der drei Tarifbereiche.“ Die Verhandlungen für neue Tarifverträge stagnieren dagegen weiterhin, unter anderem, weil sich die Arbeitgeberverbände derzeit außerstande sehen würden, überhaupt höhere Gehälter zu vereinbaren – geschweige denn, den Forderungen der Adexa nachzukommen.
Neben dem Gehalt sei es jedoch auch entscheidend, die wohnortnahen Arbeitsplätze zu erhalten. „Das Apothekensterben verläuft immer schneller! Auch betriebsbedingte Kündigungen nehmen zu.“ Daher setzt sich die Adexa für die verbliebenen Betriebe dafür ein, dass diese mehr Geld von der Politik bekommen. Außerdem bekräftigt die Gewerkschaft ihre Forderung nach einer Personalzulage von 80 Cent pro Rx-Packung. Dies genüge zwar nicht, um die Situation der Apotheken in Gänze zu verbessern, doch es sei eine Möglichkeit, immerhin die Gehälter anzupassen.
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