Vaginalia mit probiotischen Inhaltsstoffen müssen ab Mai als Arzneimittel zugelassen sein. Präparate, die lebende Mikroorganismen enthalten, dürfen bald nicht mehr als Medizinprodukt verkauft werden. So sieht es eine gesetzliche Neuregelung für Medizinprodukte vor. Doch noch nicht alle Hersteller haben ihre Produkte mit Milchsäurebakterien umgestellt.
Grundlage für die Neuregelung ist die Medical Device Regulation, EU 2017/745. Demnach sind Produkte, die lebensfähige Gewebe oder Zellen menschlichen oder tierischen Ursprungs enthalten, von der Verordnung ausgenommen. Das gilt auch für Produkte, die aus lebensfähigen biologischen Substanzen oder lebensfähigen Organismen hergestellt werden. „Nicht lebensfähig“ bedeutet, ohne die Fähigkeit, einen Stoffwechsel aufrechtzuerhalten oder sich fortzupflanzen.
Vaginaltherapeutika mit Milchsäurebakterien werden Arzneimittel
Betroffen sind auch Vaginaltherapeutika mit lebensfähigen Milchsäurebakterien. Diese sind bislang als Medizinprodukte im Handel, müssen aber ab Mai als Arzneimittel zugelassen sein.
Dr. Wolff hat die Vorgabe bereits umgesetzt. Vagisan Milchsäure-Bakterien Vaginalkapseln haben bereits eine Zulassung als Arzneimittel vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten. Deshalb wird das Produkt seit Juli 2022 unter dem Namen Vagisan ProbioFlora Milchsäurebakterien-Kapseln vertrieben.
„Vor diesem Hintergrund ist das Laktobazillenpräparat von Vagisan damit das erste und bislang einzige deutsche Arzneimittel mit rein probiotischen Wirkstoffen für die vaginale Gesundheit“, so Dr. Wolff.
Vagisan ProbioFlora Milchsäurebakterien-Kapseln sind „zur Normalisierung der gestörten Vaginalflora nach einer Antibiotikabehandlung aufgrund einer bakteriellen Vaginalinfektion sowie zur Aufrechterhaltung der normalen Vaginalflora nach Scheideninfektionen“ zugelassen.
Enthalten sind zwei Bakterienstämme – Lactobacillus rhamnosus DSM 14870 und Lactobacillus gasseri DSM 14869. Lactobacillus rhamnosus hemmt in vitro das Wachstum von Hefepilzen wie beispielsweise Candida albicans – ein Auslöser von Vaginalinfektionen – und Bakterien wie beispielsweise Gardnerella vaginalis – eine Ursache bakterieller Vaginosen. Lactobacillus gasseri DSM 14869 produziert neben Milchsäure auch Wasserstoffperoxid, das in vitro die Wachstumsmöglichkeiten von unerwünschten Bakterien begrenzt.
Etwa drei Viertel aller Frauen erleiden mindestens einmal im Leben einen Scheidenpilz. Ist die Vaginalflora aus dem Gleichgewicht, nutzt der Hefepilz Candida albicans seine Chance und vermehrt sich in Windeseile. Eine ausgeglichene und saure Vaginalflora kann vor einer Mykose schützen. In der Scheide sorgen Milchsäurebakterien für ein saures Milieu, diese gilt es zu unterstützen. Geeignet sind sowohl Zubereitungen mit Milchsäure als auch mit Laktobazillen.
Milchsäure oder Milchsäurebakterien
Milchsäure wird von Milchsäurebakterien produziert, und zwar aus Glykogen. Ohne Milchsäure kein saures Milieu, denn in der Scheide liegt das pH-Optimum zwischen 3,5 und 4,2. Dann haben Erreger keine Chance. Anders sieht es aus, wenn der physiologische pH-Wert aus dem Gleichgewicht kommt und eine pH-Verschiebung die Folge ist. Möglich ist dies unter anderem durch eine falsche Hygiene oder nach dem Geschlechtsverkehr oder der Menstruation, denn Sperma (7,2 bis 8) und Blut (7,35 und 7,45) sind leicht basisch. Um also den pH-Wert der Scheide im physiologischen Bereich zu halten, kann nach der Periode oder dem Geschlechtsverkehr Milchsäure angewendet werden.
Milchsäurebakterien gibt es verschiedene, genau können bis zu 20 verschiedene im Vaginalbereich angesiedelt sein. Allerdings sind nicht alle, sondern meist nur zwei zu finden. Laktobazillen haben verschiedene Aufgaben – sie produzieren Milchsäure und sind am Aufbau einer Schutzschicht beteiligt, die das Anheften von Keimen an der Scheidenwand verhindern kann.
Ist aufgrund einer bakteriellen Infektion eine Antibiose angezeigt – entweder lokal oder systemisch –, können im Anschluss Milchsäurebakterien angezeigt sein, denn Antibiotika sind nicht selektiv und zerstören auch die „guten“ Bakterien. Ist die Flora also nachhaltig gestört und muss wieder aufgebaut werden, sind Milchsäurebakterien Mittel der Wahl.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
Synthetisches Gestagen kann Tumorrisiko erhöhen
Neben der Anwendung als Verhütungsmittel kommt Medroxyprogesteronacetat (MPA) auch in der Krebsbehandlung zum Einsatz. Doch nun wird in einem Rote-Hand-Brief …
Sprühkopf defekt: Rückruf bei Aarane N
Im August und September gab es bereits Rückrufe bei Aarane N aufgrund eines womöglich defekten Sprühkopfes. Jetzt sind weitere Chargen …
Neue Dosierspritze für Levetiracteam UCB und Keppra
Die Levetiracetam-haltigen Lösungen Keppra und Levetiracetam UCB werden künftig mit einer neuen Dosierspritze ausgeliefert. Änderungen gibt es beim Volumen und …