Semaglutid und Co.: Verhütung oft vernachlässigt
Weil GLP-1-Rezeptoragonisten vor allem als „Abnehmwunder“ gehypt werden, ist die Nachfrage weiterhin hoch. Neben einem Jo-Jo-Effekt beim Absetzen wird mitunter auch über ungeplante Schwangerschaften – sogenannte „Ozempic-Babys“ – unter der Anwendung berichtet und eine sichere Verhütungsmethode empfohlen. Doch die Verhütung wird unter Semaglutid und Co. oft vernachlässigt, zeigen aktuelle Ergebnisse.
Wie in den Fach- und Gebrauchsinformationen entsprechender Arzneimittel mit Wirkstoffen wie Semaglutid oder Tirzepatid festgehalten ist, sollten diese nicht in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Zwar ist die Datenlage zu möglichen Auswirkungen noch immer begrenzt und es ist unklar, ob die Wirkstoffe beim ungeborenen Baby zu Schäden führen sowie in die Muttermilch übergehen können. In Tierversuchen konnte jedoch eine Reproduktionstoxizität nachgewiesen werden. Daher sollte die Therapie abgesetzt werden, wenn eine Schwangerschaft eintritt oder in Planung ist, und zwar mindestens zwei Monate im Voraus.
Außerdem wird Frauen im gebärfähigen Alter geraten, während der Anwendung zu verhüten, und zwar mit einer zuverlässigen Methode. Doch genau dies kommt oft zu kurz, zeigen Studiendaten aus Australien. Demnach vernachlässigen viele Patientinnen unter Semaglutid und Co. die Verhütung. Genau verzichten sie unter der Anwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten auf eine wirksame Empfängnisverhütung.
Zur Erinnerung: Die Wirkung von Glucagon-like Peptide-(GLP) 1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Co. geht auf eine Bindung an den GLP-1-Rezeptor zurück – die Folgen sind eine verminderte Glucagonausschüttung und eine damit verbundene verminderte Glukoseabgabe in der Leber sowie eine erhöhte Insulinsekretion aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Außerdem werden die Insulinsensitivität erhöht, die Magenentleerung verlangsamt und der Appetit verringert.
Tirzepatid ist zusätzlich ein Analogon des glukoseabhängigen insulinotropen Peptids (GIP). Der Wirkstoff bindet somit sowohl an GLP1- als auch an GIP-Rezeptoren und aktiviert diese, wodurch der Blutzuckerspiegel und der Appetit noch effektiver gesenkt werden.
Semaglutid und Co.: Frauen verzichten oft auf Verhütung
Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschenden der Flinders University in Adelaide (Australien). Sie haben die Daten von 1,6 Millionen Frauen im Alter von 18 bis 49 Jahren analysiert, von denen mehr als 18.000 zwischen 2011 und 2022 mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten behandelt wurden. Dabei wurde deutlich: Ein Großteil der betreffenden Frauen vernachlässigte unter Semaglutid und Co. offenbar die Verhütung – zumindest zu Beginn der Therapie. So gab nur rund jede Fünfte an, zum Zeitpunkt der Erstverordnung eine hochwirksame Kontrazeption – beispielsweise ein Intrauterinpessar, Implantat oder die. Pille – zu nutzen.
Rund 2 Prozent der behandelten Frauen wurden innerhalb der ersten sechs Monate schwanger, meist Patientinnen zwischen 18 und 29 Jahren mit Typ-2-Diabetes sowie Frauen ohne Diabetes im Alter von 30 bis 34 Jahren. Litten Betroffene unter einem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS), kam es doppelt so häufig zu einer Schwangerschaft wie ohne PCOS. Wenig überraschend war das Schwangerschaftsrisiko unter Nutzung eines Kontrazeptivums geringer als ohne – 1,7 Prozent versus 2,3 Prozent.
Die Forschenden appellieren, das Thema Verhütung bei der Verordnung von Semaglutid und Co. vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter stärker in die Beratung einzubeziehen. Außerdem fordern sie dringend klarere Praxisempfehlungen und Leitlinien für einen sicheren Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten bei diesen Patientinnen.
Übrigens: Eine Wirkverminderung der Pille wird laut den europäischen Produktinformationen unter GLP-1-Rezeptoragonisten nicht erwartet. Doch in Kombination mit einigen Präparaten einer Hormonersatztherapie kann eine Dosisanpassung notwendig werden.
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