Ketamin gegen Schmerzen: Wirkung nicht belegt
Etwa jede/r Vierte leidet hierzulande unter chronischen Schmerzen. Bei der Behandlung gibt es Expert:innen zufolge oftmals Nachholbedarf. Dabei kommen verschiedene Wirkstoffe zum Einsatz. Auch Ketamin-haltige Arzneimittel werden mitunter off-label gegen chronische Schmerzen verordnet. Und das, obwohl die Wirksamkeit fraglich ist.
Vor wenigen Wochen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über das Missbrauchsrisiko von Ketamin- und Esketamin-haltigen Arzneimitteln informiert und klargestellt, dass unter anderem Apotheken diesbezüglich sensibilisiert werden sollen, wenn entsprechende Rezepte vorgelegt werden.
Denn ursprünglich kommen Präparate mit den Wirkstoffen vor allem in der in der Anästhesie oder in der Notfallmedizin zum Einsatz, auch zur kurzfristigen Schmerzlinderung. Doch Ketamin wird Expert:innen zufolge verstärkt off-label zur Behandlung chronischer Schmerzen verordnet. Die Wirksamkeit von Ketamin in dieser Indikation ist jedoch nicht belegt, wie aktuelle Daten nun zeigen.
Ketamin besitzt anästhetische, analgetische und psychotrope Eigenschaften. Das Anästhetikum wirkt nicht kompetitiv antagonistisch an Glutamat- N‐Methyl‐D‐Aspartat (NMDA)-Rezeptoren.
Esketamin ist das S-Enantiomer von Ketamin und wegen seines schnellen Wirkeintritts in der EU zur Notfalltherapie bei Depressionen zugelassen, allerdings nur zur ärztlichen Anwendung. Zu den Nebenwirkungen gehören Sedierung, Dissoziation, das Auftreten psychiatrischer Ereignisse oder eine Verschlimmerung psychiatrischer Störungen, Missbrauch, Blutdruckanstieg, Atemdepression sowie Beschwerden der unteren Harnwege und Blase.
Ketamin: Kein Effekt bei chronischen Schmerzen?
Ein internationales Cochrane-Forschungsteam hat die Anwendung von Ketamin bei Patient:innen mit chronischen Schmerzen – ausgenommen Krebs- und Kopfschmerzpatient:innen – untersucht. Dafür wurden Daten aus insgesamt 39 randomisiert-kontrollierten Studien mit mehreren tausend Teilnehmenden herangezogen. Überprüft wurde die Wirksamkeit des NMDA- Rezeptorantagonisten in verschiedenen Dosierungen sowie Darreichungsformen (oral, topisch, intravenös) und zu unterschiedlichen Zeiträumen – 48 Stunden bis 1 Woche, > 1 Woche bis 3 Monate, > 3 Monate bis 6 Monate und > 6 Monate.
Das Ergebnis: Ein signifikanter Nutzen von Ketamin gegen chronische Schmerzen konnte nicht festgestellt werden. Demnach blieben die entsprechenden Beschwerden, allem voran die Schmerzintensität, bei den Betroffenen unter der Behandlung nahezu unverändert, und zwar unabhängig von Dauer, Applikation und Co. Gleiches galt für andere NMDA- Rezeptorantagonisten wie Dextromethorphan oder Magnesium.
Mehr noch: Das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Übelkeit und Erbrechen sowie psychische Beeinträchtigungen wie Delirium und Paranoia stieg unter der intravenösen Ketamin-Therapie deutlich.
Die Ergebnisse sind den Autor:innen zufolge kein Beweis für eine fehlende Wirkung, doch die erhoffte Linderung chronischer Schmerzen konnte unter Ketamin ebenfalls nicht beobachtet werden. „Die Daten könnten auf einen Nutzen oder auch auf keinerlei Wirkung hindeuten. Derzeit wissen wir es einfach nicht“, lautet das vorläufige Fazit. Es brauche daher weiterführende Studien. Bei der Verordnung entsprechender Präparate sollte jedoch Vorsicht gelten, so der Appell.
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